Warum Freude nicht gleich Freude ist…

Die Wochen des Sommers haben wir im Team und mit Partnern dafür genutzt, intensiv über die zukünftige Weiterentwicklung bei Five Elements und über unsere Ziele 2018-2020 zu sprechen. In einigen Bereichen werden wir ganz neue Wege gehen und unsere Workshops waren geprägt von Aufbruchstimmung und positiver Energie. Das hat mir viel Freude gemacht.

Aber was für eine Freude war das eigentlich? War es die Freude über ein fröhliches gemeinsames Zusammensein im Team? War es der Spass, den wir hatten? War es die Zufriedenheit über das Erreichte? Oder war es die Freude über die vielen Möglichkeiten, die sich bieten?

Wir reden häufig über Freude, Spass, Happiness oder Vergnügen und verwenden diese Begriffe als Synonyme, obwohl sie es nicht sind.

Vergnügen und Spass sind in ihrer Ausrichtung eher selbstbezogen, aufnehmend und haben kurzfristigen Charakter. Spass wäre damit – wie S. Godin es ausdrückte – „Freude auf Dopamin“.
Die andere Art von Freude hat eher langfristigen Charakter. Sie ist in ihrer Ausrichtung nach aussen, also auf das Gegenüber, gerichtet und ist häufig gekennzeichnet durch Geben und Großzügigkeit. Diese Art von Freude wäre also dann „Freude auf Serotonin“.

Bei dieser Differenzierung geht es um mehr als nur sprachliche Feinheiten, denn sie beschreibt eine ganz unterschiedliche Verarbeitungsweise in unserem Gehirn. (nähres dazu hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Dopamin und hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Serotonin)

Beide Arten von Freude fühlen sich aber so ähnlich an, dass wir glauben, die eine Freude könnte die andere ersetzen und hätte den gleichen Effekt. Das stimmt so nicht. In der kurzfristigen Betrachtung mögen sich Spass und Freude ähneln, aber in ihrem langfristigen Effekt könnten die Unterschiede kaum größer sein.

Wir reagieren auf direkte physikalische Effekte, z.B. durch Rotwein, Nikotin oder ein gutes Abendessen, genauso wie auf andere Reize in unserer Umwelt. Erhoffen wir uns also von einem Produkt Vergnügen, Spass oder Genuss, dann haben Marketing und Werbung funktioniert.
Glauben Sie nicht? Dann sehen Sie sich die Werbung für Magnum-Eis oder Erfrischungsgetränke an. Marketing und Werbung arbeiten gerne mit dem „Freude auf Dopamin“-Effekt, dem Streben nach dem kurzfristigen Kick, dem Spass-Effekt. Leicht, mühelos, schnell, unkompliziert.

Den gleichen Effekt nutzen auch soziale Medien wie Facebook und Co. Hier wird Dopamin erzeugt durch das Heraufbeschwören von Angst, Ärger und Kathastrophen einerseits und Vergleichen durch „Mein Leben ist perfekter als Deins“-Bildern andererseits. Die Dopamin-Wirkung von Katzenbildern ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen. Katzenbilder sorgen für eine kurzfristige Entspannung und wirken positiv auf die Arbeitszufriedenheit.

Das Geschäftsmodell von Social Media ist damit vergleichbar zu dem von Kaffee, Alkohol, Zigaretten, etc.: Im Mittelpunkt steht der kurzfristige Kick von Dopamin, der „harmlose Spass“, die „kleine Freude zwischendurch“.

„Freude auf Serotonin“ unterschiedet sich davon wesentlich: Um sie zu erleben brauchen wir mehr Geduld, überlegte Planung und Selbstvertrauen. Wir spüren sie meistens dann, wenn wir einen besonderen Moment mit Anderen teilen können, wenn sich eine entspannte Harmonie ergibt oder nach sorgfältiger Vorbereitung und ruhiger Entscheidung die Dinge „an ihren Platz fallen“.

Wie unsere persönliche Geschichte sich entwickelt ist vorwiegend davon abhängig, worauf wir uns konzentrieren und was wir auf uns wirken lassen. In unseren Workshops dieses Sommers haben wir uns gemeinsam im Team genau damit beschäftigt, was uns in 2018 und danach sowohl Spass als auch Freude machen soll.

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p dir=“ltr“>Eine neue „Marketing-Aktion“ zu starten, macht viel Spass. Neue und nachhaltige Coaching- und Beratungs-Erlebnisse für unsere Klienten zu schaffen, macht uns unendlich Freude.

Was macht Ihnen Freude? Und was sorgt für Spaß? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.

Wieder so ein Tag…

img-alternative-textDraussen scheint die Sonne, aktuell sind es angenehme 23 Grad und ich stecke mal wieder fest. Neben mir auf dem Schreibtisch liegt die lange Liste meiner Aktivitäten, die ich eigentlich in dieser Woche bearbeiten wollte. Dabei gibt es einige administrative Dinge, die für mich eher langweilig sind, aber auch einige sehr spannende Arbeiten, bei denen es um Recherche und Lernen geht. Ich bin heute morgen bereits recht früh aufgestanden und fühle mich ausgeruht und fit.

Mittlerweile ist es später Nachmittag. Die Liste liegt immer noch neben mir. Ich habe sie mehrfach gelesen, anders aufgeteilt, die Reihenfolge einiger Aktivitäten verändert, Dinge auf morgen verschoben, zwei Sachen ganz gestrichen, Mails beantwortet, den Hund beschäftigt, ein paar Telefonate geführt, einen kurzen Blick auf XING geworfen, Facebook einen Besuch abgestattet und schnell mal bei LinkedIn reingeschaut. Meine Sammlung lustiger Fotos ist um vier gewachsen, drei Zitate von Einstein (wem sonst..) haben mich begeistert, Katzenbildern bin ich ausgewichen und Katastrophen-Meldungen habe ich ausgeblendet.

Trotz meines schlechten Gewissens habe ich mir einen Kaffee auf der Terrasse erlaubt und in der neuen Cicero geblättert. Nur eine Sache habe ich nicht gemacht: Ich habe nicht an den Aktivitäten auf meiner Liste gearbeitet.

Jetzt, am frühen Abend, verstehe ich gar nicht, wo die Zeit geblieben ist. Es war doch eben erst 12:30 Uhr, als ich auf diese interessante Firmenwebsite gestossen bin….um 14:00 sass ich doch schon wieder am Schreibtisch und habe….ja, was eigentlich…gemacht?

An jeden, der sich beim Lesen ertappt fühlt: Willkommen im Club.

Warum fällt es uns häufig so schwer, konsequent unsere Aktivitäten-Listen abzuarbeiten, wenn es von aussen keinen Druck, z.B. in Form eines Abgabetermins, gibt? Warum nutzen wir nicht unsere ganze Kreativität, unsere Kraft, unsere Fachkompetenz, um unsere Projekte heute wirksam ein Stück voran zu bringen? Warum arbeiten wir nicht an dieser guten Idee weiter, die uns so fasziniert hat? Stattdessen bearbeiten wir Mails, damit der Posteingang unter Kontrolle bleibt.

Wir wissen ja, dass die Dinge schnell an Fahrt aufnehmen, wenn wir alle Ablenkungen wirksam ausschalten würden, uns nur auf die wichtigen Dinge konzentrieren, statt uns in Kleinigkeiten zu verlieren.

Trotzdem spüren wir einen starken inneren Widerstand, die leise Stimme in meinem Hinterkopf, die uns einflüstert: „Das wird sowieso nie klappen. Schau lieber nochmal in Deine Mails, es könnte ja was Wichtiges sein. Lehn Dich nur nicht zu weit aus dem Fenster, sonst machst Du Dich nur zum Affen und alle lachen über Dich. Übernimm Dich bloss nicht. Und bei dieser Sache solltest Du nochmal ganz gründlich recherchieren, das ist noch etwas wackelig. Stell Dir vor, da stimmt etwas nicht. Das wäre ja furchtbar.“

Unsere Angst vor dem Scheitern ist die Quelle dieses inneren Widerstands. Sie liebt Arbeitsgruppen und hasst Entscheidungen. Sie liebt es, Angst und Unsicherheit zu erzeugen und hat damit so viel Erfolg, weil sie weiß, welche inneren Knöpfe gedrückt werden müssen, um uns zu verunsichern.

Gesteuert wird das Ganze übrigens neurophysiologisch über die Amygdala, also den Teil meines Gehirns, der am ältesten ist und nahe am Hirnstamm liegt. Die Amygdala ist u.a. zuständig für Angst, Aggression, Sex und Überlebenswillen. Sie wird angesprochen, wenn wir Stress haben, z.B. weil wir uns davor fürchten, uns zu blamieren. Wir wollen nicht scheitern! Scheitern wäre furchtbar!

Deshalb gehen wir in Meetings und spielen „Teufels Advokat“, um die guten Ideen anderer zu kritisieren. Wir fürchten das Unbekannte und erfinden Entschuldigungen, machen anstehende Aufgaben unnötig kompliziert. Wir erfinden Umwege und Umständlichkeiten.

Deshalb verwenden wir Formulierungen wie „..habe ich Dir doch gleich gesagt..“ und erinnern uns daran, dass wir doch genau jetzt dringend die Fenster putzen und die Bücherregale sortieren müssen.

Es ist auch unser innerer Widerstand, der uns zu der guten Idee, an der wir gerade arbeiten, eine noch viel bessere Idee eingibt, und zwar ganz kurz bevor wir fertig gewesen wären. Also nochmal von vorne….nur nicht festlegen.

Kleine Unternehmen und Einzelunternehmer bewegen deshalb in ihrem Rahmen viel mehr als Grossunternehmen, weil Grossunternehmen Arbeitsgruppen, Komitees und Projektteams haben, die darauf ausgerichtet sind, den Status Quo zu erhalten, Fehler zu vermeiden und Kathastrophen zu verhindern. Jede Arbeitsgruppe besteht aus Menschen, die – jeder für sich – mit ihren eigenen Widerständen und inneren Stimmen ringen. „Wenn das als Ergebnis rausgeht, dann sieht es mein Chef und ich werde vielleicht gefeuert!“. „Wenn das in der Firma ausgerollt wird, denken die Kollegen vielleicht, dass es meine Idee war und es besteht eine gute Chance, dass sie es nicht mögen.“

Was ist die Folge? Jede Arbeitsgruppe, jedes Projektteam zielt darauf ab, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, der möglich ist, um nicht die Angst vor dem Scheitern zu wecken, weil man fürchtet, sich zu blamieren. Dann lieber nur das mittelmäßige Ergebnis. Oder das verspätete Ergebnis, um noch schnell ein paar Tests machen zu können und dann „ganz sicher zu sein.“

Wenn wir diesem inneren Widerstand nachgeben, kann er uns über viele Jahre in unserer Arbeit und in unserer Entwicklung sabotieren. Er sorgte dafür, dass wir uns hauptsächlich um durchschnittlich interessante Themen kümmerte, die wir sehr zuverlässig und in durchschnittlicher Qualität bearbeitet haben. Weil es sich viel sicherer anfühlte, als kontrovers an ein Thema heranzugehen und zu versuchen, das Bestmögliche zu erreichen. Wir rechtfertigen das z.B. dadurch, dass wir „uns voll auf unsere Kernkompetenzen konzentriert haben.“ Klingt gut, meint aber: Ich habe nur das getan, was ich immer schon gut konnte. Weiterentwicklung findet anderswo statt.

Und da uns Sicherheit so wichtig ist, widersprechen wir auch den Durchschnittslösungen Anderer nie. Lieber nichts riskieren. Deshalb arbeiten wir für durchschnittliche Manager in durchschnittlichen Unternehmen an durchschnittlichen Projekten, die durchschnittliche Ziele haben.

Gut finden wir, dass wir dafür nie kritisiert werden. Im Gegenteil, niemand würde uns vorwerfen, nur durchschnittliche Arbeit zu leisten und nur durchschnittliche Ergebnisse zu liefern. Stattdessen lobt man unsere Zuverlässigkeit. Mit purer Durchschnittlichkeit kann man eine gute durchschnittliche Karriere in einem durchschnittlichen Unternehmen machen.

Kompliziert wird es erst dann, wenn sich Bedingungen ändern und Durchschnittlichkeit nicht mehr genügt. Wenn neue Ideen gebraucht werden. Wenn wir „um die Ecke denken müssen“, um weiterzukommen. Dann gilt es, sich zu entscheiden: Lassen wir die Angst siegen und tun das, was wir immer schon getan haben? Oder überwinden wir die Angst vor dem Scheitern und fangen an, nach neuen Ideen zu suchen?

Dann wird uns „wieder so ein Tag“ ärgern, weil wir unsere Möglichkeiten nicht genutzt haben. Dann werden wir strenger mit uns selbst und strenger mit anderen. Dann beginnen wir, Fragen zu stellen. Dann wollen wir mehr.

Dann sind wir „anders“. Dann sind wir dort, wo Neues entsteht, wo Gedankenexperimente zu Lösungen reifen und zwanzig Varianten ausprobiert werden, wie es nicht funktioniert. Dann spüren wir Innovation als Gefühl im Bauch. Dann wird die Welt bunter. Dann sehen wir Möglichkeiten statt Hindernisse.

Gegen den Strom hat man mehr Raum!

Bleiben Sie mutig.

Keine Angst vermeiden!

img-alternative-textIn den vergangenen Jahren habe ich mit sehr vielen Führungskräften Tiefeninterviews und Potenzialanalysen durchgeführt, um mit ihnen gemeinsam herauszufinden, ob eine bestimmte Führungsposition für sie geeignet wäre.

Dazu kamen viele Coaching-Gespräche, Gast-Vorträge, Team-Workshops und Strategie-Runden, die ich begleiten durfte.

Bei vielen Gelegenheiten habe ich irgendwann die Notwendigkeit gesehen, folgende Frage zu stellen: „Was würden Sie tun, wenn Sie keine Angst hätten?“

Unsere Ängste lassen uns davor zurückschrecken, Neues auszuprobieren oder Altes aufzugeben. Sie können sehr vielfältig sein.

Unter http://phobien.ndesign.de finden Sie eine umfangreiche Liste von Phobien, angefangen bei „Ablutophobie – Angst vor Waschen/Baden“ über „Ombrophobie – Angst vor Regen, durch Regen nass zu werden“ bis hin zu „Zemmiphobia – Angst vor Nacktmullen“. (Diese Angst ist übrigens besser nachvollziehbar, wenn man weiß, wie ein Nacktmull aussieht.)

Ängste verhindern, dass wir unser Verhalten ändern, Chancen wahrnehmen und Neues ausprobieren. Sie sorgen dafür, dass wir wichtige Vorhaben nicht in Angriff nehmen, Termine verschieben oder Zusagen machen, die wir hinterher bereuen. Ängste sorgen dafür, dass wir nicht auf interessante Menschen zugehen oder uns nicht auf eine tiefere Beziehung einlassen. Ängste sind unser größtes Hindernis, unbeschwert fröhlich zu sein.

Viele Menschen fürchten sich davor, Fehler zu machen. Diese Angst trainieren wir bereits seit unserer Kindheit, denn schon in der Schule war es früher üblich, die Schüler vor allem auf die Fehler hinzuweisen, die sie gemacht hatten. „Nicht geschimpft ist schon gelobt genug!“ war ein typischer Satz meiner Kindheit und Jugend.

Wenn Sie lange nicht mehr hingefallen sind, wird die Angst vor dem Hinfallen in Ihnen immer größer werden.

Eng mit der Angst vor Fehlern verbunden ist auch die Angst, nicht zu „genügen“ oder zurückgewiesen zu werden. In jeder Schulklasse gab es das dicke / dünne / ungelenke / unsportliche / hilflose / ängstliche Kind, dass bei der Zusammenstellung der Fussball-Mannschaften als letztes übrig blieb. Im beruflichen Umfeld kennen wir dazu Aussagen wie: „..da hätte ich aber von Ihnen mehr erwartet…“

Eine drittes grosses Thema ist die Angst vor Ungewissheit. Wir mögen es, wenn wir Abläufe kennen und wissen, „wie der Hase läuft.“ Wir wollen Verlässlichkeit in unserem Leben, denn sie gibt uns Sicherheit. Das „Normale“ hat etwas Beruhigendes. Hundert kleine Rituale vermitteln uns das Gefühl, etwas „kontrollieren“ zu können und zu wissen, wohin wir gehören.

Immer wieder stelle ich fest, wie sehr sich meine Klienten wegen dieser drei Haupt-Ängste einschränken, bestehende Handlungsoptionen nicht nutzen und Chancen nicht wahrnehmen: Sie fürchten eine Veränderung, weil damit gewohnte Abläufe nicht mehr funktionieren. Dadurch entsteht Unsicherheit und wird verstärkt durch das Gefühl, vielleicht nicht mit der Veränderung klarkommen zu können, nicht zu genügen. Das könnte im schlimmsten Fall ja dazu führen, dass man „nicht mehr mitspielen“ darf, nicht mehr zur Gruppe gehört, zum Aussenseiter wird, vielleicht sogar den Job verliert.

Orientiert man sich an der Bedürfnispyramide von Maslow, greifen diese aufgeführten drei Ängste uns auf einer sehr existenziellen Ebene an. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist für uns aus evolutionär-biologischer Sicht immer noch überlebenswichtig. Unsere Gruppenzugehörigkeiten definieren uns stärker, als wir es uns eingestehen wollen. Die Angst vor dem Verlust der Gruppenzugehörigkeit, sei es durch Jobverlust, Abteilungswechsel, Umzug oder ähnliches, kann sich für uns lebensbedrohend anfühlen.

Und weil wir diese negativen Gefühle nicht mögen, vermeiden wir es möglichst lange, unseren Ängsten Raum zu geben. Wir wollen sie nicht spüren und tun alles, um ihnen aus dem Weg zu gehen: Wir stellen uns „tot“, ignorieren also unsere Angst möglichst vollständig, so lange es geht. Wenn das Angstgefühl nicht mehr geleugnet werden kann, versuchen wir, zu fliehen. Wir lenken uns ab, sind sehr beschäftigt, treiben plötzlich ganz viel Sport oder wir beruhigen unseren Kopf durch Essen, Rauchen, Alkohol, Facebook, Tinder oder Ähnliches.

Aber auch das funktioniert nur für eine gewisse Zeit. Denn die Angst ist immer noch da und inzwischen stärker geworden.

Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Unsicherheit und Niedergeschlagenheit sind Symptome, die uns zeigen, dass wir unsere Angst nicht mehr ignorieren können und Gefahr laufen, eine Angststörung zu entwickeln. (Die Symptome werden häufig verwechselt mit den Symptomen eines Burn Out. Obwohl sie diesem sehr ähnlich sind, haben sie aber eine andere Grundlage und werden anders behandelt. Im fortgeschrittenen Stadium bedürfen Angststörungen ebenso wie Burn Out Probleme der Unterstützung eines entsprechend ausgebildeten Facharztes oder Psychologen.)

Wie können wir mit unseren Ängsten besser umgehen, damit es gar nicht zu einer Verschlimmerung kommt? „Keine Angst!“ ist leicht gesagt, aber schwer umzusetzen, wenn einem das Herz bis zum Hals schlägt und man nachts nicht in den Schlaf kommt.

Ich verfolge in der Arbeit mit meinen Klienten drei Wege, um ihnen dabei zu helfen, sich von ihren Ängsten zu lösen und ihre Handlungsmöglichkeiten besser zu entfalten.

  1. Wir nähern uns den Ängsten in kleinen, gut aushaltbaren Schritten und akzeptieren die aufkommenden negativen Gefühle aus einer „Beobachterrolle“, so lange wir es aushalten können. Die Aufmerksamkeit liegt auf der Beobachtung, wie unser Körper auf die Angst reagiert. Fängt das Herz an, zu rasen? Geht der Atem schneller? Werden wir unruhig und rutschen auf dem Sessel hin und her? Was war der Auslöser dafür? Eine Bemerkung meines Gegenübers? Eine Vorstellung oder Erinnerung an eine frühere negative Situation? Tatsächlich erlauben wir uns als Erwachsene häufig nicht, einzuräumen, dass wir überhaupt Angst empfinden. Die typische Reaktion meiner Klienten auf meine Frage „Was würden Sie tun, wenn Sie keine Angst hätten?“ ist immer: „Ich habe überhaupt keine Angst!“ Deshalb üben wir im nächsten Schritt gemeinsam, die Angst zu akzeptieren und sie als etwas anzusehen, mit dem wir arbeiten können, statt vor ihr davon zu laufen.
  2. Wenn es mir gelingt, mich selbst und meine Reaktion auf die Angst zu beobachten, kann ich im nächsten Schritt hinterfragen, worauf meine Angst beruht. Ich versuche, mögliche Ursachen zu benennen, indem ich klar formuliere, z.B. indem ich sie aufschreibe. Ein Coaching-Beispiel: „Ich habe Angst davor, meinen Kollegen zur Rede zu stellen, weil ich mir vorstelle, wie meine Stimme kippt und ich mich total blamiere, während alle anderen Kollegen über mich lachen.“ Es geht nun darum, sich diese Situation so genau wie möglich vorzustellen, sich in sie hinein zu versetzen. Wenn wir sie ganz deutlich vor uns sehen, können wir sie in unserer Vorstellung auch verändern, z.B. durch die Frage: „Und was, wenn nicht? Wie würde sich diese schrecklich peinliche Situation entwickeln, wenn niemand lachen würde? Wie würde es ablaufen, wenn der Kollege tief bestürzt wäre?“ Dieses Spielen mit alternativen Handlungsverläufen führt uns zum wichtigen dritten Schritt:
  3. Wir erkennen, dass sich die gleiche Situation in ganz unterschiedliche Richtungen entwickeln kann, abhängig von der Reaktion des Umfeldes. Keine dieser Reaktionen können wir wirklich beeinflussen. Und jede denkbare Entwicklung ist zunächst mal gleich wahrscheinlich. Unsere Angst beruht immer auf einer ganz konkreten Vorstellung darüber, wie sich alle anderen uns gegenüber verhalten. Sie zeigt in unserer Vorstellung immer den schlimmstmöglichen Fall, den wir uns vorstellen können. Wenn wir uns aber auch fünf andere Varianten vorstellen können, ist die eine angstbehaftete Version der möglichen Geschehnisse nur ein Szenario unter anderen. Wir erkennen daran, dass die Grundlage für unsere Angst nur eine Annahme ist, die wir „im Kopf haben“. Wir nehmen an, dass eine bestimmte Situation genau so stattfinden wird, wie wir es uns vorstellen. Genau so und nicht anders.

Aber das Leben will uns immer wieder überraschen. Nichts ist vorgegeben, nichts passiert genau so, wie wir es uns vorstellen. Und deshalb kann es auch viel besser kommen, als wir es uns vorstellen können.

Sind diese drei Schritte einfach zu erlernen? Nein, es braucht ein wenig Übung, sich nicht durch das ungute Gefühl der Angst davon tragen zu lassen, sondern die Beobachter-Position so lange wie möglich zu halten. Hier hilft ständige Wiederholung. Die vielen kleinen Fortschritte sind der Weg zum erfolgreichen Umgang mit den eigenen Ängsten.

Es geht nicht darum, die eigenen Ängste zu besiegen oder sie zu bekämpfen. Es geht darum, sie als Mittel zum Zweck zu erkennen. Ängste können uns lehren, wie wir in unserem Kopf mit Annahmen, Wünschen und Erwartungen umgehen. Sie bieten uns die Möglichkeit, uns besser kennenzulernen und weniger von anderen Menschen zu erwarten. Sie können uns dabei helfen, flexibler zu werden und uns beibringen, mit jeder Situation umgehen zu können, die das Leben für uns bereit hält. Insofern können Ängste uns zeigen, wie spannend und vielfältig das Leben sein kann.

Marie Curie sagte dazu: „Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr.“ Erich Kästner meinte: „Auch der stärkste Mann schaut einmal unters Bett.“

Und Ralph Waldo Emerson bemerkte: „Wer nicht täglich seine Furcht überwindet, hat die Lektion des Lebens nicht gelernt.“

In diesem Sinne: Keine Angst vermeiden!!

Ein gutes Leben leben….

img-alternative-textAls ich 2013 nach meiner ersten Krebserkrankung und sechs Monaten Pause wieder meine Arbeit aufnahm, wurde mir eine Frage von meinen Klienten besonders häufig gestellt: „Wie hat sich Ihr Leben jetzt geändert?“ Die gleiche Frage bekomme ich heute – nach erfolgreichem Wiederholungskampf in 2016 – wieder gestellt. Gute Frage!

Eine wesentliche Erkenntnis für mich ist: Der Krankheit ist es vollkommen egal, wer Du bist. Sie trifft den „Guten“ genau so wie den „Bösen“. Sie ist keine persönliche Strafe.

Diese nüchterne Erkenntnis hat mich sehr entspannt. Denn damit musste ich mich nicht zu sehr mit der Frage nach dem „Warum ich?“ beschäftigen. Die logische Antwort für mich war: „Warum nicht?“

Ich bin zweimal an Krebs erkrankt. Das passiert täglich irgendjemandem irgendwo. Ich wurde behandelt und habe zweimal hart gekämpft. Mir geht es wieder gut. Problem gelöst. Ist das schon die ganze Geschichte?

Nicht ganz. Denn eine solche Erkrankung sorgt dafür, dass man sehr schnell aus allen üblichen Mechanismen der Gesellschaft herausfällt. Durch die Krankheit hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, nichts zu müssen. Zum ersten Mal wurde von mir nichts erwartet. Ich durfte nun auch mal müde sein, traurig, überfordert oder ängstlich. Und mein Umfeld akzeptierte das.

Mir gab das ein wenig das Gefühl von Narrenfreiheit. Das ganze Korsett von „tun müssen“, „nicht tun dürfen“ usw. fiel von mir ab. Ich werde es nie wieder anlegen.

Gleichzeitig hatte die Krankheit meinen Handlungsraum ohne die vielen Zwänge und Gewohnheiten enorm erweitert. Und damit auch meine Gestaltungsverantwortung . Wie war denn nun meine Vorstellung davon, ein „gutes Leben zu leben“?

Keine Ahnung! Ich hatte tatsächlich keine klare Vorstellung davon, was das für mich persönlich bedeutet.

Ich konzentrierte mich deshalb zunächst darauf, möglichst alle meine klassischen Bilder vom „guten Leben“ loszulassen, die Hände zu öffnen und den Kopf auf der Suche nach klarer Sicht zu heben. Mit offenen Augen die Realität zu erkennen, ohne sie rosig zu malen und ohne sie an meine erfundenen „Bilder im Kopf“ anzupassen war eine schwierige Übung.

Mit der Zeit habe ich daraus für mich ein paar Grundsätze entwickelt, die ich heute in meinem Leben umzusetzen versuche:

  1. Ungewissheit und Unbequemlichkeit aushalten: 
    Wenn ich Unbequemlichkeiten ausweiche, schränke ich mich auf meine persönliche Komfortzone ein. In ihr sind Lernen und neue Erfahrungen nur begrenzt möglich. Wenn ich Ungewissheit scheue, beschränke ich mich nur auf bereits Bekanntes. Ich trainiere mich heute lieber darauf, dass mich Ungewissheit und Unbequemlichkeit nicht aus der Bahn werfen können. Eine Krankheit ist dafür eine harte, aber wirkungsvolle Übung.
  2. Erwartungen und (Vor-)Urteile vermeiden: 
    Bestimmte Erwartungen und (Vor-)Urteile verhindern, dass ich mich über die Dinge freuen kann, die vor mir liegen. Sie verhindern auch, dass ich auf einen anderen Menschen einfach freundlich zugehen kann. Ich arbeite daher daran, meine eigenen Vor-Urteile und Erwartungen zu erkennen und ihnen nicht zu viel Raum zu geben. Vielleicht gelingt es mir sogar, sie irgendwann ganz loszulassen.
  3. Beziehungen vor Bedingungen: 
    Selbst wenn ich alles so hinbekomme, wie ich gehofft habe, werden ich nie die totale Kontrolle über eine Situation haben. Deswegen habe ich aufgegeben, alles und jeden kontrollieren zu müssen. Offen auf andere Menschen zuzugehen ist wichtiger, als von ihnen etwas Bestimmtes zu erwarten, damit eine Beziehungen funktionieren kann. Beziehungen sollten immer Priorität vor Bedingungen haben.
  4. Mitfühlend sein: 
    Wenn mich jemand oder etwas sehr ärgert, versuche ich, mich nicht meinem Ärger oder meiner Frustration hinzugeben. Ich bemühe mich darum, den inneren Schmerz anzuerkennen und zu verstehen, wie er mich oder mein Gegenüber gerade einengt. Ich öffne diesem engen Gefühl mein Herz. Und kann dadurch mitfühlend sein mit mir selbst und mit meinem Gegenüber.
  5. Dankbarkeit üben: 
    Das Leben ist wunderbar, weil es jeden Tag Wunder bereithält. Ich kann sie aber nur erkennen, wenn ich meine Augen offenhalte. Diese Wunder zeigen sich in vielen kleinen Dingen, die meiner Aufmerksamkeit entgehen, wenn ich zu angestrengt mit gesenktem Kopf auf den Fußboden starre.

Ein gutes Leben zu führen ist für mich eine beständige Übung, ohne die Hoffnung auf endgültige Meisterschaft. Hinfallen gehört dazu, aufstehen auch.

Wie führe ich ein gutes Leben? Durch Loslassen. Und dann neu anfangen. Immer wieder.

…nur noch ein bisschen mehr….

img-alternative-textKleiderschränke sind nach meiner Erfahrung immer ein wenig zu klein, um alle meine Kleidung aufzunehmen. Egal wie groß sie sind. Selbst ein neuer größerer Schrank hat die Tendenz, sich selbst in kürzester Zeit zu füllen. Umso größer die Überraschung, wenn nach einiger Zeit das Hemd oder der Pullover wieder auftauchen, die ich das letzte Mal vor Monaten gesehen habe.

Wir wollen halt immer ein bisschen mehr….nur noch ein bisschen…

Viel beschäftigte Unternehmensberater oder Anwälte verbringen im Durchschnitt 12 Stunden pro Tag mit ihrer Arbeit und sind während der ganzen Zeit sehr beschäftigt. Es ist leicht vorstellbar, dass sie an den meisten Tagen ihre Arbeit auch innerhalb von acht Stunden erledigen könnten. Aber da zu ihrem Selbstbild als erfolgreicher Berater oder Anwalt gehört, dass man viele Stunden arbeitet, verstehen sie es instinktiv, ihre Arbeit so lange auszudehnen, bis die 12 Stunden ausgefüllt sind.

Wir wollen halt auch hier immer ein bisschen mehr….nur noch diese Mail beantworten und diese Recherche anstossen….nur noch ein bisschen….

Wir richten uns in unseren selbstgewählten Messkriterien für Erfolg immer nach unseren inneren mentalen Modellen und Bildern. Diese Messkriterien müssen nicht zwangsläufig mit der Realität etwas zu tun haben. Deshalb essen Menschen, die abnehmen wollen, automatisch weniger, wenn sie kleinere Teller verwenden. Es geht also immer um das richtige Portionieren.

Wenn wir für die Beurteilung unserer eigenen Arbeitsleistung immer nur die ehrgeizigsten Messkriterien und die höchsten Zielwerte verwenden, dann ruinieren wir uns letztlich selbst die Freude an dem, was wir tun und warum wir es tun. Dann werden wir unsere Leistung immer als „zu wenig“ oder gar als „ungenügend“ empfinden.

Die richtige Portionierung für die eigene Leistung zu finden ist daher ein wesentliches Geheimnis für Erfolg und Freude.

Manchmal also bewusst den kleineren Teller zu wählen, kann für mehr Zufriedenheit sorgen. Probieren Sie es mal aus.

Willkommen im Kristallpalast…

img-alternative-text…so beschrieb der US-amerikanische Autor Seth Godin die aktuelle Anspruchshaltung und Eigenwahrnehmung vieler Menschen in unserer Gesellschaft.

Die Technologien, die uns überall umgeben, ermöglichen uns, Dinge zu tun, die noch für meine Eltern unvorstellbar waren. Auch im globalen Maßstab haben wir ein Wohlstandsniveau erreicht, das die Geschichte noch nicht gesehen hat. Trotz aller Krisen, Kriege und schrecklichen Gewaltausbrüche in aller Welt leben wir in (relativ) friedlichen Zeiten. Noch nie hat es in Europa 60 Jahren Frieden ohne Unterbrechung gegeben.

Die Medizin vollbringt Wunder in der Bekämpfung von ansteckenden Krankheiten, der Heilung von Krebs und der Erweiterung unserer Möglichkeiten, Schmerzen zu nehmen und Beschwerden zu lindern.

Unsere Gesellschaft hat sich in ihrer Selbstzufriedenheit eingerichtet und wir haben einen „Kristallpalast“ geschaffen, einen Ort, der perfekt gestylt, organisiert, sauber und glänzend sein soll und in dem die Pflege des Ganzen inzwischen mehr Arbeit als Vergnügen macht. Diesen hohen Standard nach aussen aufrecht zu erhalten ist sehr anstrengend. Für jeden Einzelnen. Für uns alle gemeinsam.

Trotzdem verschwenden wir unsere Zeit mit lautem Gejammer darüber, dass kleinste Beschwernisse unser Glück trüben. Wir klagen darüber, dass die Impfung weh getan hat und der Arm zwei Tage schmerzte. Wir jammern, dass die Suppe zu kalt und der Hauptgang zu heiss, der Cocktail zu klein und die Raumtemperatur zu kühl waren. Und dies alles tun wir, ohne die Wunder zu bemerken und wertzuschätzen, die uns umgeben.

Stellen wir uns mal vor, wir müssten den letzten Vorfall, der unseren perfekten Tag ruiniert hat, auf ein T-Shirt schreiben: „Mein iPhone ist während der letzten Zugabe meiner Lieblingsband ausgegangen, weil meine Mami vergessen hat, es aufzuladen. Deswegen konnte ich den letzten Song im Konzert nicht aufnehmen und bei YouTube posten. Ich bin ruiniert.“

Aber schlimmer noch ist, dass wir unsere Fähigkeit verloren haben, uns auch dann auf etwas Neues einzulassen, wenn es nicht sofort mit einer Belohnung aufwartet oder nicht so perfekt gestylt aussieht oder sogar Mühe und Anstrengungen erwarten lässt. Wenn es auch nur ein minimales Risiko bergen könnte, wollen wir es nicht.

Dadurch dass wir uns immer häufiger von Situationen, Menschen, Orten fernhalten, die uns vielleicht ablehnen könnten oder wo es nicht so perfekt zugeht, wie wir es gern hätten, verbringen wir unser Leben zunehmend in einem selbstgewählten Gefängnis, das täglich kleiner wird. Von innen sieht es zwar toll, sauber und perfekt aus. Zum Glücklichsten reicht es aber nicht.

Immer mehr gehen wir dazu über, Situationen, Menschen und Dinge zu vermeiden. Nicht weil sie so gefährlich wären. Sondern weil es vielleicht mal nicht funktionieren könnte.

Wir vermeiden das unangenehmen klärende Gespräch, wir machen den Vertriebsanruf nicht, wir setzen uns nicht mit dieser ungewöhnlichen Sichtweise auseinander, wir lassen unsere gute Erfindung lieber in der Schublade. Nicht weil wir es nicht könnten, sondern weil es vielleicht nicht auf Anhieb funktionieren könnte. Weil wir uns dann unwohl fühlen würden….

Der achtjährige Sohn eines Freundes sollte vor Kurzem das Fahrradfahren erlernen. Mit jedem Versuch machte er gute Fortschritte, es ging immer besser. Dann kam der unvermeidliche erste Sturz. Nachdem der Schreck vorbei war, verkündete er, Fahrradfahren sei sowieso langweilig, das brauche er nicht zu lernen. Dabei blieb es….

Wenn wir uns weiterentwickeln und wachsen wollen, dann ist das eine anstrengende, manchmal schmutzige und manchmal sogar eine gefährliche Angelegenheit. Den das Leben an sich ist manchmal anstrengend, schmutzig und so gefährlich, dass es irgendwann mit dem Tod endet.

Wenn wir eine Garantie erwarten, dass unser Leben sich immer nur nach oben entwickelt, besser, schöner, größer wird und in einem Hollywood-Finale endet, werden wir enttäuscht werden. Ganz sicher.

„Im Prinzip ja, aber…“ – Prinzipien und Standards

img-alternative-textKennen Sie das? Der Tag verspricht, anspruchsvoll zu werden, mit vielen Gesprächsterminen über wichtige Themen. Alles ist durchgetaktet, auf dem Weg zum Flughafen ist man gut durchgekommen, zum Glück kein Stau, jetzt schnell das Auto parken, einchecken, vielleicht noch ein schneller Kaffee. Habe ich eigentlich alle Unterlagen dabei?
Dem aufmerksamen Beobachter wird an so einem Morgen auffallen, dass mein Gesichtsausdruck und meine Körperhaltung eine leichte Anspannung verraten. Alles an mir signalisiert: „Vielen Dank, ich brauche nichts. Bitte halten Sie mich nicht auf.“

Konsequent ignoriert wird mein Wunsch allerdings immer wieder von ehrgeizigen jungdynamischen „Beratern“, die mich dazu animieren wollen, ihre goldene / platinfarbene / unglaublich wichtig aussehende Kreditkarte zu verwenden. An einem normalen Tag versuche ich, sie wertschätzend zu ignorieren.

Vor einiger Zeit ergab sich aber folgender Dialog:
Ich: „Danke nein, das brauche ich nicht.“
Er: „Glauben Sie mir, die Zusatzleistungen werden Sie überzeugen. Ganz bestimmt.“
Ich: „Ich brauche keine Zusatzleistungen. Und ich brauche keine zusätzliche Kreditkarte.“
Er: „Aber Sie reisen doch so viel. Da ist eine Gepäckversicherung eigentlich unverzichtbar.“
Ich: „Nein, wenn mein Koffer in Tokio verloren geht, nützt mir das vor Ort auch mit Versicherung gar nichts.“
Er: „Aber auf die Flugmeilen bei jedem Einkauf wollen Sie doch nicht verzichten?!“
Ich: „Ich habe bereits so viele Meilen, dass ich meine Vettern und Cousinen 2. Grades zum Urlaub nach Mallorca auf Meilen einladen könnte. Tue ich auch nicht. Brauche ich nicht.“
Er – mittlerweile leicht verzweifelt: „Und die Mietwagen? Denken Sie an die Mietwagen-Tarife! So günstig kommen Sie da nie wieder ran.“
Ich – schon fast amüsiert: „Guter Mann, nochmal zum Verständnis: Ich verwende prinzipiell Kreditkarten so wenig wie möglich.“
Er: „Prinzipien zu haben ist ja eine gute Sache, aber bei DIESEM Angebot sollten Sie unbedingt eine Ausnahme machen. Sie müssen da flexibler werden.“ – das Ganze vorgetragen mit einem leicht mokanten Lächeln über den komischen Mann, der da was von Prinzipien schwafelt.

Damit sagte dieser „Berater“ eine ganze Menge über sich selbst. Seine Reaktion machte mir deutlich, dass er gerne eine Abkürzung nehmen würde, um müheloser zum Erfolg zu kommen. „Man kann es ja mal versuchen.“ und „Fragen kostet ja nichts.“ Wie hält es dieser Jemand mit Prinzipien?

Seine Reaktion auf meinen Prinzipien-Einwand liess mich annehmen, dass für ihn eigene Prinzipien und Standards ein Luxus sind. Kann man sich mal gönnen, muss man aber nicht. Prinzipien reduzieren natürlich die Möglichkeit, immer und überall der eigenen Stimmung nachzugeben. Prinzipien nehmen Flexibilität und Bequemlichkeit. Und ein Verstoss gegen die eigenen Prinzipien hat doch sowieso keine Konsequenzen. Bringt also eh nix. Kann man gleich sein lassen.

Meine Erfahrung ist anders: Wenn man beginnt, sich konsequent nach eigenen Standards und Prinzipien auszurichten, spart man viel Zeit. Entscheidungen werden auf Basis klarer Prinzipien viel schneller getroffen, Prioritäten ergeben sich häufig wie von selbst. Die neuesten Trends und Tricks verlieren an Attraktivität. Man braucht ihnen nicht mehr hinterher zu laufen, in der Hoffnung, dadurch eine Abkürzung zum Ziel zu finden.

Das Leben nach eigenen – selbst gewählten und durchdachten – Prinzipien und Standards ist so betrachtet die beste und eleganteste Abkürzung zum Ziel, die man wählen kann. Weil man sich mit vielen Nebensächlichkeiten nicht beschäftigen muss. Und sich darauf konzentrieren kann, hervorragende Arbeitsergebnisse zu liefern und verlässlich zu agieren. So entsteht Vertrauen.

Auf der Suche nach der eigenen Leidenschaft im Job? Lassen Sie´s lieber.

 

Ich kann es nicht mehr hören! Jedes Seminar zum Thema „Beruflicher und privater Erfolg“ belästigt mich mit der Empfehlung: „Sie müssen Ihre Leidenschaft finden!“ oder „Entdecken Sie Ihre Passion!“. Auch gerne verwendet wird:“Erst wenn Sie Ihre Leidenschaft leben, werden Sie Erfolge feiern können!“

In meinen Coaching-Gesprächen spüre ich häufig die Verzweiflung des Klienten, der vor mir wie ein Häuflein Elend sitzt und darüber klagt, dass er „seine Leidenschaft immer noch nicht gefunden habe und gar nicht wüsste, was er noch dafür tun könne. Nur das, was er im Moment gerade beruflich tue, sei auf gar keinen Fall seine Leidenschaft!“ Da ist es ja dann kein Wunder, wenn sich der erträumte Erfolg noch nicht eingestellt hat.

Ist es wirklich sinnvoll, die Suche nach der eigenen Leidenschaft in den Mittelpunkt zu stellen?

Ich habe den Eindruck, dass diese Empfehlung häufiger die Probleme vergrössert, als etwas zum Besseren zu wenden. Denn in vielen Fällen führt die Suche nach der eigenen Leidenschaft im Job zu Fehlentscheidungen, die teilweise schlimme Folgen haben.

Da sehe ich den häufigen Jobwechsel im Lebenslauf, eine große Unzufriedenheit mit der aktuellen Tätigkeit, noch größere Träume über die „ideale“ Firma, die „optimalen“ Kollegen und die „perfekten“ Chefs, die in der Lage sind, das „enorme Potenzial“ zu erkennen.

Welche Annahmen stecken hinter diesen Äusserungen? Offensichtlich glauben viele Menschen, dass der beste Weg zu einem glücklichen und erfüllten Berufsleben ist, zuerst die eigene Leidenschaft zu entdecken und dann die dazu passende Tätigkeit zu finden.

So funktioniert es nach meiner Erfahrung allerdings in den meisten Fällen nicht.

Denn Menschen, die einer echten Leidenschaft – auch in Ihrem Beruf – folgen, sind sehr selten und finden sich nach meiner Erfahrung häufig im künstlerischen Bereich. Aus dem leidenschaftlichen Geigenschüler wird vielleicht der gefeierte Violinist, wenn viele unterstützende Faktoren zusammenkommen. Denn neben der Leidenschaft sind dafür auch Eigenschaften wie Talent und Fleiss erforderlich. Die Förderung im Elternhaus und der richtige Lehrer zur richtigen Zeit sind weitere Faktoren.

Den leidenschaftlichen Lohnbuchhalter oder den leidenschaftlichen Taxifahrer habe ich seltener getroffen. Die meisten Menschen werden nicht mit einer brennenden Leidenschaft in sich geboren. Hier kommen die vielen gut besuchten Seminare, Workshops und Retreats ins Spiel, die ihren Teilnehmern versprechen, ähnlich einem Archäologen, die verdeckte, wahre Leidenschaft freizulegen, die unter dem Staub der Erziehung schändlich begraben worden ist. Wenn sie befreit worden ist, steht dem eigenen Glück endlich nichts mehr im Wege. Man muss nur entsprechend dieser Leidenschaft handeln.

Und tatsächlich gehen viele Teilnehmer dieser Veranstaltungen glücklich und beschwingt wieder nach Hause. Sie haben erfolgreich „ihre“ Leidenschaft entdeckt und endlich gibt es damit auch die Erklärung, warum sie bisher im Job so unglücklich waren. Nicht ihre Einstellung war dafür verantwortlich, sondern die Tatsache, dass der Job nicht kompatibel zur neu entdeckten Leidenschaft war. Jetzt nur noch schnell kündigen und etwas Passenderes finden, dann ist alles wunderbar.

Leider kommt nicht selten nach ein paar Wochen der „Katzenjammer“. So erzählte mir eine Bekannte, sie habe inzwischen das Gefühl, die neu entdeckte Leidenschaft für „…meine Liebe weitergeben…“ sei vielleicht doch nicht so ausgeprägt. Da „finde ich mich doch nicht so wieder, wenn die Kinder meiner Schwester wieder auf den Tischen tanzen..“ – Aber schon in Kürze werde wieder ein Seminar zum Thema angeboten, dieses Mal von einem amerikanischen „Motivational Speaker“, der habe übrigens indianische Wurzeln und deshalb sowieso einen ganz anderen Zugang zum Thema. Naja…

Was ist es denn nun mit der Leidenschaft?

Wenn ich Leidenschaft im Beruf sehen will, dann gehe ich in eine kleine Buchbinderei, mit der ich schon einige Jahre zusammenarbeite. Hier ist beim Inhaber und seinem Mitarbeiter echte Leidenschaft zu spüren, wenn wir über Vorsatzpapiere, Einbandstrukturen und Prägestempel sprechen. Leidenschaft ist hier eine FOLGE von meisterhafter Beherrschung eines Handwerks. Hier entsteht Leidenschaft durch das KÖNNEN und das Ausreizen von Möglichkeiten, noch bessere Ergebnisse in der eigenen Arbeit zu erzielen.

Tatsächlich ist „gute Arbeit“ etwas sehr Seltenes geworden, nach dem sich immer mehr Menschen sehnen. Gute Arbeit benötigt gute Kenntnisse und viel Erfahrung. Braucht gute Arbeit auch Leidenschaft? Nicht unbedingt. Aber ein leidenschaftlicher Handwerker wie mein Buchbinder würde sagen, es schade auch nicht.

Und darin liegt für mich der wesentliche Punkt: Diejenigen, die sich auf das Finden ihrer Leidenschaft konzentrieren, tun dies mit der Einstellung von „Was bietet mir die Welt?“. Diejenigen, die sich – wie ein Meister seines Handwerks – darauf konzentrieren, gute Arbeit zu leisten, tun dies mit der Einstellung von „Was biete ich der Welt?“.

Wenn Sie sich also Gedanken darüber machen, was Ihre Leidenschaft sein könnte, empfehle ich Ihnen: Kümmern Sie sich darum, der Welt etwas anzubieten und so gut darin zu werden, dass man Sie nicht mehr übersehen kann. Arbeiten Sie daran, Meister Ihres Fachs zu werden. Dann stellt sich die Leidenschaft von ganz alleine ein.

„Ja, aber…“ – Vorbehalte und Ausreden

img-alternative-textBesonders in Veränderungssituationen, die von Mitarbeitern und Führungskräften echte Verhaltensänderungen verlangen, höre ich das „Ja, aber…“ besonders häufig. Es soll einerseits ausdrücken, dass diejenige Person nicht vollständig und absolut gegen die Veränderung eingestellt ist, andererseits aber sich selbst nicht gerne verändern möchte.

Grundsätzlich sind Vorbehalte, z.B. gegen eine neue Veränderung in der Organisation, zunächst mal ganz gesund und nützlich. Es ist immer hilfreich, zu Beginn ein paar Fragen zu stellen, bevor man sich Hals über Kopf in ein neues Veränderungsabenteuer stürzt.

Wir sollten aber Vorbehalte deutlich unterscheiden von Ausreden. Ausreden verwenden wir meistens, um dem Berater, dem Verkäufer, dem Change Manager etc. zu sagen, er möge bitte gehen, ohne ihm zu sagen, dass er bitte gehen möge.

Für mich als Veränderungsbegleiter sind Vorbehalte und Rückfragen immer wieder sehr produktive Möglichkeiten, mit betroffenen Teammitgliedern, Führungskräften oder auch ganzen Teams ins Gespräch zu kommen. Vorbehalte sind ein Weg, gemeinsam mehr über das Veränderungsvorhaben zu lernen, Sichtweisen zu hinterfragen und ggf. zu korrigieren und gleichzeitig den betroffenen Mitarbeitern Hilfe bei der Lösung ihrer spezifischen Probleme in diesem Veränderungsprozess anzubieten.

Dazu im Unterschied haben Ausreden keinerlei produktiven Nutzen. Sie sind für mich eher Äusserungen der Angst, zu etwas überredet zu werden, das man eigentlich nicht will. Diese Ängste zu kennen, sie ernstzunehmen und in der Kommunikation mit ihnen umzugehen ist von großer Bedeutung. Die Zuflucht über längere Zeit in Ausreden zu suchen und dadurch Entwicklungen zu verzögern oder gar zu verhindern, sollte aber nicht zulässig sein.

Ein guter Change Manager sollte daher die Unterschiede zwischen Vorbehalten und Ausreden erkennen können und dadurch besser verstehen, was die betroffenen Mitarbeiter und Teams im Moment noch von einer vollen Zustimmung und Unterstützung der Veränderung abhält. Sind es nur Ausreden? Oder sind es Vorbehalte, mit denen man arbeiten kann?

Messen wir eigentlich das Richtige?

Wenn wir etwas Bestimmtes messen, dann konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit in der Regel darauf. Und wenn unsere Aufmerksamkeit auf einem bestimmten Thema oder einem bestimmten Zusammenhang liegt, wird hier in der Regel auch intensiv gemessen.

Wir sind hungrig nach Zahlen. Zahlen bestimmen unsere Messungen, denn sie stellen eine Vergleichbarkeit her. Und diese Vergleichbarkeit macht es schwer, sich zu verstecken und gibt uns das Gefühl von Ordnung – dieses ist kleiner / besser / größer / schneller / leichter / etc. als jenes.

Genau darin liegt aber auch ein Problem.

Das Einkommen ist zum Beispiel sehr leicht zu messen. Und wir glauben, dass ein höheres Einkommen besser ist als ein niedriges Einkommen. Deshalb halten wir Menschen mit einem höheren Einkommen für besser oder glücklicher und gestehen ihnen mehr Respekt und Würde zu als Menschen, die augenscheinlich weniger Einkommen haben. Eine Falle.

Auch die „Likes“ in sozialen Medien sind leicht zu messen. Darum steht hier die Jagd nach Zustimmung immer mehr im Vordergrund. Wer gewinnt dieses Spiel? Vielleicht am ehesten Exhibitionisten und Zuhälter.

Im Internet-Handel ist die Anzahl der „Fünf-Sterne-Bewertungen“ bares Geld wert. Auch sie ist leicht zu messen. Deshalb streben die Anbieter schon fast verzweifelt nach positiven Bewertungen, um zu gewinnen.

Aber was bedeutet in diesem Zusammenhang eigentlich „gewinnen“? Führt die reine Maximierung einer bestimmten Messzahl tatsächlich zu den positiven Ergebnissen, die wir erreichen wollen?

Ist die wirklich wichtige Arbeit immer auch die beliebteste Arbeit? Erreichen wir unsere Ziele wirklich immer nur dann, wenn die Öffentlichkeit es toll findet? Verkauf wir dann automatisch mehr? Ist die Bestseller-Liste identisch mit der Beste-Bücher-Liste?

Wer bewertet da eigentlich? Die populärsten Bücher, die erfolgreichsten Filme werden häufig von Kritikern verrissen. Aber populäre Themen ziehen mehr Käufer an als schwierige Stoffe. Vielleicht bekommen wir bei der Maximierung unserer gut messbaren Erfolgkriterien dann Käufer, die wir gar nicht haben wollten….

Wir sollten deshalb sehr überlegt in der Auswahl unserer Messkriterien vorgehen. Das falsche Messkriterium liefert auch dann falsche Ergebnisse, wenn es besonders leicht zu messen ist.

Präzision ist nicht das Gleiche wie Signifikanz.

Verwenden wir die richtigen Messkriterien für unsere Arbeit und unsere Ergebnisse, dann passieren gute Dinge.

Nehmen wir uns daher mehr Zeit dafür, herauszufinden, welche Messkriterien für uns die Wesentlichen sind. Lassen wir uns nicht zu sehr durch Daten blenden.

Weniger ist hier meistens mehr.