Der Feind in meinem Kopf: Selbstzweifel

Jeder Mensch – ja, auch Sie – hat Schwächen, die immer wieder schmerzen. Diese wunden Punkte sind mit Erfahrungen verbunden, die so unangenehm für uns gewesen sind, dass wir sie verdrängt haben.

In den nächsten Beiträgen will ich diese Schwächen etwas genauer beleuchten, weil sie mir in meinen Coachings immer wieder begegnen. In den allermeisten Fällen handelt es sich um eines der folgenden Themen, die im Alltag zu Problemen führen. Ich nennen sie die „5 Feinde in meinem Kopf“.


5 Feinde in meinem kopf

  1. Die Sucht nach Zustimmung
  2. Mangelndes Selbstvertrauen
  3. Impulsivität und Über-Emotionalität
  4. Kontrollzwang
  5. Übersteigertes Selbstbewusstsein und Scheinsicherheit

Sucht nach Zustimmung: Der Fall „Claudia“

Da saß mir eine erfolgreiche Managerin gegenüber, die immer ihr Bestes gegeben hatte. Spitzen-Abitur, Prädikatsexamen, Auslandsaufenthalte, Mehrsprachigkeit, gebildet, intelligent und schlagfertig, attraktiv und mit eigenem Stil: Eine Person, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn sie einen Raum betritt.

Vor mir saß aber auch eine getriebene Person, die unter Schlaflosigkeit litt, große Bindungs- und Beziehungsprobleme hatte, zutiefst erschöpft war, sich überfordert fühlte und hinter jeder Ecke einen Feind vermutete. Das konnte – wie sie mir erzählte – schon mal zu emotionalen Auseinandersetzungen im Team und zu Wutausbrüchen führen.

Auch deshalb hatten in den vergangenen Monaten einige wichtige Player ihr Team verlassen. Das ehemalige Spitzen-Team war Vergangenheit, der Druck von außen wurde immer größer.

Auffällig war, dass meine Klientin in der Schilderung ihrer Situation das Private sehr stark von der „geschäftlichen Person“ abgrenzte. Ihr persönliches Gefühl der Erschöpfung und die schwierige Situation im Team spielten sich für sie auf zwei vollkommen unabhängigen Ebenen ab.

Sie wisse ja, dass sie sich für Privates aufgrund ihres großen Engagements zu wenig Zeit genommen habe. In der Vergangenheit habe sie Beziehungen mit Partnern gehabt, die selbst äusserst erfolgreich gewesen waren. Da leide das Privatleben unter überfüllten Kalendern und manchmal auch unter gegenseitigem Wettbewerb. Ein wenig Ruhe werde sicher helfen, auch ihre Müdigkeit in den Griff zu bekommen.

Im Team ginge es ihrer Ansicht nach um etwas anderes: Die Leistung des Teams sei durch die Karriere-Entscheidung einiger guter Mitarbeiter nach unten gegangen. Sie müsse daher nun – zusätzlich zu ihren eigenen Themen – viel mehr selber machen. Sie tue zwar alles, um ihre Mitarbeiter zu entlasten, die Motivation sei aber trotzdem in den vergangenen Wochen massiv eingebrochen. Regelmässig liesse sie Stimmungsbilder machen und würde immer das Team einbinden, bevor sie wichtige Entscheidungen treffe. Mittlerweile sei sie aber ratlos, was sie noch tun könne.

Die Gesamtschau führt zur Lösung

Jeder Mensch hat ein Repertoire an Dingen, die eher leichtfallen und anderen, die eher schwerfallen. Unsere individuellen Stärken, Neigungen und Schwächen beeinflussen unser Verhalten in jeder Situation. Wir vermeiden oder schieben vor uns her, was uns eher schwerfällt und erledigen sofort, was uns leicht fällt.

Unsere Arbeitskultur hat uns beigebracht, unser Leben zweigeteilt zu führen: Da gibt es das Private mit Freunden, Familie und Hobby und draussen vor der Tür findet das Berufliche statt. Wie oft habe ich schon den Satz gehört: „Privat bin ich aber ganz anders!“

Auch wenn die letzten Monate dafür gesorgt haben, dass sich die Grenze zwischen Beruf und Privat etwas verwischt hat: in unseren Köpfen ist sie noch da. In vielen Fällen ist es aber erforderlich, wieder ein ganzheitliches Verständnis für sich selbst zu entwickeln, wenn wir unseren Problemen auf die Spur kommen wollen.

Noch vor 150 Jahren gab es die Trennung zwischen Beruf und Privatleben nicht. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebte dort, wo die Arbeit war und arbeitete dort, wo man lebte. Erst die industrielle Revolution sorgte dafür, dass es so etwas gab wie feste Arbeitszeiten und Arbeitsorte, zu denen man morgens aufbrach und von denen man abends heimkehrte. Auf dem Bauernhof im Sauerland oder in der Wassermühle im Wald war das nicht erforderlich. Der Tag begann mit dem Sonnenaufgang und endete mit Einbruch der Dunkelheit. Gearbeitet wurde im eigenen Tempo, so wie die eigenen Kraft es zuliess. Mittagspause von 12:00 – 12:30 Uhr? Unbekannt. Gegessen wurde, wenn der Hunger kam und die Kraft nachliess.

Auch wir müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass wir EIN Leben führen und nicht zwei, die quasi parallel nebeneinander verlaufen. Das Private prägt uns in der Arbeit und umgekehrt.

Bei meiner Klientin „Claudia“ stellte sich heraus, dass es ihre Prägung in der Erziehung war, die ihr zur Falle wurde. Sie fühlte sich häufig unverstanden und hatte das Gefühl, dass niemand ihre wahren Qualitäten erkennen würde. Ihren Beziehungen endeten meistens, weil ihr Partner sie verlassen hatte, sei es aus beruflichen Gründen oder für eine andere Person. Woran sie verzweifelte war das Gefühl, was sie auch tue, es sei immer zu wenig. Es gab immer eine Stimme, die flüsterte: „Das reicht nicht. Du enttäuscht mich.“

Die Sucht nach Zustimmung

„Claudia“ war in einem Umfeld aufgewachsen, in dem sie von Aussagen begleitet worden war wie: „Was sollen die Leute von Dir denken?“, „Da hätte ich von Dir nicht gedacht.“ oder „Damit kannst Du die Mama nicht auch noch belasten.“

Menschen mit diesen Erfahrungen haben in ihrer Jugend gelernt, dass sie nur dann ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sind, wenn sie von anderen gemocht werden und wenn sie versuchen, es allen recht zu machen. Beliebtheit und Anpassung sind die Dinge die zählen.

Die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen sind dadurch selbstverständlich weniger wichtig als die Stimmungen der Menschen im direkten Umfeld. „Um des lieben Friedens willen“ werden Ideen und Vorstellungen nicht weiter verfolgt, wenn sie zu Konflikten führen könnten. Diese Menschen sind immer freundlich und hilfsbereit. Sie beklagen sich nie und nehmen es auch nicht krumm, wenn sie nachts um 3:00 Uhr angerufen werden, um sich den Liebeskummer der Freundin anzuhören oder den Kumpel aus der Kneipe abzuholen. Auf sie ist Verlass. Immer.

Ihr tiefes Bedürfnis nach Zuneigung lässt sie alles dafür tun, ein Bild des Erfolgs und der Unabhängigkeit zu präsentieren. Um sie muß man sich keine Sorgen machen. Die Frisur sitzt perfekt, die Kleidung ist geschmackvoll und zurückhaltend, die Fassade ist perfekt. Alles supie!

Im Alltag versuchte meine Klientin daher immer, genau abzuschätzen, welche Folgen ihre Entscheidung haben werde. Wer konnte davon negativ betroffen sein? Wo wären Konflikte denkbar? Würde sie die Erwartungen erfüllen? Und was wäre wenn……

Wir alle wissen: Es ist nicht möglich, alle Folgen einer einzigen Handlung im Voraus abzusehen. Trotzdem investierte sie Stunden um Stunden in die Entscheidungsfindung. Sie sprach mit diesem und jenem, fragte nach Meinungen und Eindrücken, diskutierte Alternativen im Team und verzögerte die Entscheidung so lange, bis sie das Gefühl hatte: diese Lösung ist perfekt und alle sind einverstanden.

Trotz dieser Vorgehensweise entwickelte sie aber für sich kein Gefühl der inneren Sicherheit, denn etwas Wichtiges fehlte: Sie hatte keine eigene Überzeugung, die ihr sagte, was „richtig“ sei.

Nur wenn wir in der Lage sind, für uns selbst ein unabhängiges Urteil zu fällen, können wir eine Entscheidung treffen und sie dann auch durchsetzen. Auch wenn es schwerfällt: irgendwann müssen wir einem Standpunkt den Vorzug geben und das Risiko eingehen, eventuell einen Fehler zu machen.

Für ihr Team war die Zusammenarbeit daher zunehmend schwierig. Wenn Entscheidungen getroffen wurden, war keine einheitliche Linie zu erkennen. Je nach Stimmung wiesen sie in die eine oder andere Richtung. Eine Orientierung für das Team fehlte, die endlosen Diskussionen im Team und das nachträgliche Anzweifeln bereits getroffener Entscheidungen wirkten lähmend. Nichts ging voran.

Deshalb gingen die stärkeren Charaktere im Team dazu über, „Claudia“ unter Druck zu setzen und Entscheidungen zu erzwingen. Wenn dies nicht gelang schafften sie selber Tatsachen. Das sorgte im Team für zusätzliche Konflikte. Der Vorwurf der Entscheidungsschwäche, der im Raum stand, verunsicherte meine Klientin noch stärker. Sie reagierte darauf, wie bei einem Liebesentzug, mit sehr emotionalen Ausbrüchen.

Meine Handlungsempfehlung

Zunächst war es ein Aha-Erlebnis für meine Klientin, die private und berufliche Situation im Zusammenhang zu sehen. Wir konzentrierten uns zunächst darauf, die Symptome genau zu betrachten: die persönlichen Beziehungsprobleme, die negative Stimmung im Team, die emotionalen Streitereien, das permanente Gefühl der Überforderung, die Müdigkeit, der überfüllte Kalender etc.

Dabei waren wir sehr darum bemüht, nicht zu (be)werten, sondern die Puzzle-Stücke nebeneinander zu legen und nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Durch die Einbeziehung ihrer persönlichen Geschichte wurden dann Schritt für Schritt Zusammenhänge erkennbar. Der größte Antreiber, auch die größte Angst, war es, nicht zu genügen. Die größte Überzeugung war daher: Ich bin nur wert, geliebt zu werden, wenn ich es allen recht mache. Die größte Hürde: Nur wenn ich keine Fehler mache und niemandem vor den Kopf stoße bin ich erfolgreich. Meine eigenen Bedürfnisse spielen keine Rolle.

Diese Denkmuster sorgten dafür, dass meine Klientin sich in einer permanenten Überforderungssituation befand. Ihre gesamte Energie verwendete sie darauf, ein perfektes Bild abzugeben und das zu sein, was die Welt in ihr sehen sollte: die perfekte Managerin, jung, ehrgeizig, charmant und erfolgreich.

Aber mit der Überforderung kamen auch die Selbstzweifel. Je mehr sie spürte, wieviel Kraft es sie kostete dieses Bild aufrecht zu erhalten, umso größer wurden die Ängste: Würde sie genügen können? Oder hatte sie bisher nur Glück gehabt?

Unsere weitere Vorgehensweise war daher:

  • Wir entwickelten eine Liste ihrer bisherigen Erfolge, wobei wir den Begriff „Erfolg“ nicht auf Berufliches beschränkten. Alles, was für „Claudia“ ein Erfolg gewesen war kam auf die Liste, angefangen beim Schulabschluss über den Führerschein, das erste eigene Apartment, der erste Job usw. usw. Es wurde eine sehr lange Liste.
  • Im nächsten Schritt entwickelten wir gemeinsam die jeweils besten und schlimmsten Szenarien, die sie sich vorstellen konnte. Im Kern standen die Fragen: „Wird es mich umbringen, wenn das und das passiert?“ und „Werde ich erst glücklich sein können, wenn das und das eintritt?“
  • Drittens analysierten wir gemeinsam, welche Werte für sie die größte Bedeutung hatten. Was war ihr wirklich wichtig? Welche fünf Werte sollten zukünftig als eiserne Grundlage dienen, wenn sie Entscheidungen treffen musste?
  • Ich empfahl ihr, immer dann wenn sie spürte, dass sich die Selbstzweifel meldeten und sie das Gefühl bekam, nicht gemocht zu werden, die Liste ihrer bisherigen Erfolge durchzugehen, zu aktualisieren und zu ergänzen.
  • Als Teil ihres Morgenrituals entwickelten wir ein Mantra, das ihr helfen sollte, ihre persönlichen 5 eisernen Werte zu verinnerlichen und ihre innere Stimme zu stärken.

Am Spiegel im Flur befestigte meine Klientin einen Zettel, auf dem Folgendes stand:

Dass Du heute hier stehst ist kein Zufall! Du stehst hier, weil Du es Dir verdient hast.

„Jetzt sei doch nicht so kleinkariert!“

Über Grenzen der Toleranz und Verständnis füreinander

In meinen Gesprächen mit noch unerfahrenen Führungskräften gibt es ein „Evergreen-Thema“, über das wir uns früher oder später unterhalten. Meist gibt es einen konkreten Anlass: sie sind mit einzelnen Mitarbeitern oder mit einem Team in eine Streitgespräch geraten und haben aus ihrer eigenen Sicht falsch gehandelt haben: Entweder beklagen sie, dass sie sich nicht durchgesetzt haben oder, dass sie überreagiert haben.

Inhaltlich sind es häufig kleine, unbedeutende Anlässe, hinter denen aber größere Themen wie das eigene Selbstverständnis als Führungskraft oder grundsätzliche Regeln der Zusammenarbeit stehen. Und immer wenn es diese Ver-(Mischung) gibt, wird die Sache kompliziert.

Ein typisches Beispiel

Herr X ist als Spezialist für eine bestimmte Software-Anwendung der gesetzte Ansprechpartner für alle Fragen der Planung und Anwendungsentwicklung in diesem Bereich. Schon seit einigen Monaten mehren sich aber die Stimmen im Team, die sich über seine ständige Unpünktlichkeit beschweren. Egal, ob er vom Home Office aus an den Sprint-Meetings teilnimmt oder im Büro anwesend ist: Das gesamte Team wartet jedesmal mindestens 15 Minuten auf ihn, muss die Agenda umplanen und andere Themen vorziehen. Einige Kollegen, die nur an seinem Projekt beteiligt sind, verlieren wertvolle Zeit und es ist jedesmal das Gleiche: Er ist unvorbereitet, steht nicht im Thema und vertröstet bei vielen Fragen auf eine Mail im Anschluß an das Meeting.

Für seine junge Teamleiterin Frau Z ist der Umgang mit dieser Situation schwierig: Sie weiß, dass Herr X alleinerziehender Vater von zwei jüngeren Kindern ist und ausserhalb wohnt. Als Fachkraft ist er nicht ohne weiteres ersetzbar.

Zu dem Online-Meeting, das sie angesetzt hat, um über die Situation zu sprechen, verspätet sich Herr X um 10 Minuten. Es sei etwas gewesen mit den Kindern lautet seine halbherzige Erklärung. Eine Entschuldigung kommt nicht und das Gespräch nimmt einen konfrontativen Verlauf, in dem Herr X seiner Teamaleiterin unter anderem vorwirft, sie sei nur an ihrer Karriere interessiert und „total intolerant“. Sie müsse doch wohl Verständnis für seine Situation aufbringen, auch wenn sie selbst keine Kinder habe.

Für Frau Z ist das ein Problem: Einerseits hält sie sich selbst für einen sehr toleranten Menschen, der viel Verständnis für die Einstellungen und Probleme Anderer aufbringt. Andererseits treibt sie die Sorge um, nicht konsequent zu handeln und manipuliert zu werden, wenn sie zu tolerant ist. Wo liegt der gesunde Mittelweg zwischen Toleranz und Konsequenz?

Klare Begriffe und ein Lernprozess!

Besonders für unerfahrene Führungskräfte besteht die Gefahr, sich durch unterschwellige Vorwürfe unter Druck setzen zu lassen. Niemand will der intolerante spiessige Vorgesetzte sein, der kleinkariert nach Regelverstössen sucht und auf „Chef“ macht. Aber wieviel Toleranz ist gut und wieviel Konsequenz muss sein?

Räumen wir zunächst mit einem Missverständnis auf: Toleranz und Konsequenz sind zwei vollkommen unabhängige Begriffe. Wenn jemand als Führungskraft nicht konsequent handelt, muss er nicht unbedingt tolerant sein. Und wenn jemand intolerant ist, muss er nicht automatisch auch konsequent sein.

Genauso gilt: Nur weil jemand konsequent handelt, muss er nicht intolerant sein. und nur weil jemand tolerant ist, muss er nicht jedes Verhalten automatisch akzeptieren.
Daher ist es wichtig zu verstehen: Wenn ich für etwas „Verständnis habe“, so ist das nicht gleichzusetzen mit „Ich akzeptiere Dein Verhalten.“, auch wenn das im Alltag häufig gleichgesetzt wird.

Ich kann zum Beispiel als Richter dafür Verständnis haben, dass jemand aus großer Verzweiflung ein Gewaltdelikt begeht. Das ist sogar für eine angemessene Urteilsfindung eine Voraussetzung. Es bedeutet allerdings nicht, dass ich es aufgrund meines Verständnisses für akzeptabel hielte, Gewaltdelikte zu begehen. Die Tat selbst bleibt inakzeptabel, auch wenn ich verstehe, wie es zu ihr kommen konnte.

Was können wir also Frau Z. raten?

Wenn sie auf die Einhaltung bestimmter Grundregeln in der Zusammenarbeit besteht, hat das nichts mit ihrem Toleranz-Niveau als Führungskraft zu tun. Ihr Verständnis für die besondere Situation von Herrn X. darf nicht dazu führen, dass er besondere Vorzüge geniessen kann, die für den Rest des Teams nicht gelten.

Frau Z. sollte ansprechen, dass sie die besonderen Herausforderungen versteht, die Herr X. als alleinerziehender Vater bewältigen muss. Sie muss aber erklären, wo ihre Grenzen des Verständnisses – und die des Teams – liegen und wann diese überschritten sind. Herr X. muss verstehen, dass jede Überschreitung dieser Toleranzgrenzen eine Intervention nach sich zieht.

Mein Führungs-Tipp

Immer wenn Mitarbeiter durch ihr Verhalten immer wieder eine klar kommunizierte Toleranzgrenze überschreiten, müssen wir als Führungskräfte reagieren. Dabei spielt die „Schwere des Verstosses“ nur eine untergeordnete Rolle. Um ein Bild zu bemühen: Auch wenn ich regelmässig „nur“ 40 km/h in der 30er-Zone gefahren bin, hat das Konsequenzen.

Das Argument, „das sei doch zu viel unnötiger Stress“, ist eine Ausrede und entweder ein Zeichen von Faulheit oder Ausdruck der eigenen Angst vor Konfliktgesprächen. Wem es zu anstrengend ist, geltende Regeln durchzusetzen, sollte Moderator werden. Als Führungskraft erfüllt er so seinen Job nicht.

Der Vorwurf der Intoleranz ist ein Versuch, uns zu manipulieren. In vielen Fällen werden die Grenzen bewusst überschritten, weil ausgetestet werden soll, wie weit man gehen kann, bevor es Konsequenzen gibt. Und in diesem Fällen geht es nicht mehr um das Thema an sich, z.B. Pünktlichkeit, sondern um die Wahrung der eigenen Autorität und den Schutz vor zukünftigen Manipulationen.

Wir sollten daher in uns hineinhören: wie weit geht unser Mitgefühl und ab wann entwickeln wir ein „komisches Bauchgefühl“, dass wir gerade manipuliert werden? Dieses komische Gefühl ist ein klarer Hinweis darauf, dass unsere Toleranzgrenze gerade getestet wird. Und das ist nicht akzeptabel.

Wenn wir Verständnis zeigen, aber gleichzeitig konsequent nach geltenden Regeln handeln, bleiben wir in den Augen der Mitarbeiter menschlich, verlässlich und konsequent.

„Das ist sooo ungerecht!“ – Über Gerechtigkeit und göttliche Allmacht

Wer kennt es nicht: die Diskussionen mit den eigenen Kindern über ein neues Mobiltelefon, die Erlaubnis, zu einer Party zu gehen oder die 20 Euro Extra-Taschengeld? Früher oder später kommt es zu dieser denkwürdigen Anklage: „Das ist so ungerecht! Aline und Mona dürfen auch auf die Party und die müssen nicht schon wieder um 23:00 Uhr zu Hause sein!“ oder „Ich finde das total fies von Dir, alle anderen in meiner Klasse haben schon das 12er iPhone. Nur ich nicht! Die glauben alle, dass wir total arm sind. Das finde ich so ungerecht!“

Auch wenn wir diese Argumentationstaktik schon so häufig erlebt haben und kindisch finden: Auch im beruflichen Umfeld werden wir immer wieder damit konfrontiert. „Dass die Svenja jetzt eine Gehaltserhöhung bekommen hat, ist ja in Ordnung. Aber wir machen ja die gleiche Arbeit, da habe ich ja auch ein Recht auf mehr Geld. Sonst ist das ja total ungerecht!“ Oder: „Wenn der Chris jetzt Freitags Home Office machen darf, dann will ich das auch! Sonst ist das echt total ungerecht!“

Und besonders zu Wahlkampfzeiten scheint es allen Parteien nur um eines zu gehen: Gerechtigkeit! Es werden gerechtere Löhne, eine gerechtere Wohnungsbaupolitik und ein gerechtes Rentensystem gefordert! Jugendliche benötigen gerechtere Bildungschancen, Frauen gerechtere Aufstiegschancen und Pflegekräfte eine gerechtere Bezahlung.

Gerechtigkeit ist ein missbrauchter Begriff!

Wenn wir darüber einen Moment nachdenken, stellen wir fest, dass „Gerechtigkeit“ ein völlig abstrakter Begriff ist, der für uns immer unerfüllbar bleiben muss. Denn bei diesem Begriff muss man immer mitdenken: „gerecht im Vergleich zu…?“

Gerechtigkeit wird gerne verwechselt mit dem Begriff der „Fairness“, ist aber kein Synonym dafür. Bei Fairness geht es um einen ausgleichenden und wertschätzenden Umgang mit meinem Gegenüber. Gerechtigkeit appelliert stattdessen an eine höhere Instanz. Gerechtigkeit spricht von Moral. Fairness spricht von Ausgleich.

Trotzdem ist Gerechtigkeit ein wichtiger Begriff, denn unser Umgang miteinander sollte darum bemüht sein, unseren Mitmenschen und uns selbst Teilhabe zu ermöglichen. Gerechtigkeit fordert uns auf, unser Gegenüber und seine Bedürfnisse wahrzunehmen und zu akzeptieren. Zur Vermeidung von Konflikten und für ein harmonisches Zusammenleben hilft es, wenn wir versuchen, einen Interessenausgleich, also eine „relative“ Gerechtigkeit herzustellen.

Vorsicht ist aber insbesondere dann geboten, wenn Gerechtigkeit als „Kampfbegriff“ Verwendung findet.

Die moralische Keule!

Immer, wenn Menschen beklagen, dass sie selbst ungerecht behandelt worden seien und dass unsere Gesellschaft unter einem Mangel an Gerechtigkeit leide, treffen sie eine stillschweigende Annahme zu ihrem eigenen Vorteil: Sie unterstellen, es gäbe eine „absolute“ Gerechtigkeit. Vor dieser „absoluten“ Gerechtigkeit und ihren (verborgenen) Kriterien konstruieren sich die Klagenden in die Rolle des Opfers, das unter den aktuell „ungerechten“ Zuständen leiden muss.

Alternativ treten sie auch für andere „Opfer“ ein und fordern die „Solidarisierung“ aller nicht Betroffenen, um „der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen“ oder „diese himmelschreiende Ungerechtigkeit endlich zu beenden.“

Merke: Menschen, die sich selbst ungerecht behandelt fühlen, tun nichts anderes als für sich selbst einzufordern, dass ihnen persönlich mehr zusteht als sie bisher bekommen haben. Und Schuld daran tragen andere!

Diese Menschen nehmen für sich in Anspruch, für Gerechtigkeit einzutreten und zu wissen, was denn als „absolut gerecht“ angesehen werden soll und was nicht. Sie unterstellen darüber hinaus, dass es für die erlittene Ungerechtigkeit einen oder mehrere Verantwortliche gibt und dass diese unethisch gehandelt haben. Mit anderen Worten: Jemand (der Chef, der Vater, die Partnerin, die Kollegin etc.) oder „etwas“ (die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Immobilienhaie etc.) tragen die Schuld für ihr Leiden und das Leiden aller anderen Betroffenen. Weil sie weniger bekommen haben, als ihnen nach ihrer eigenen Einschätzung zustünde.

Damit wird der durchsichtige – aber häufig wirkungsvolle – Versuch unternommen, das Gegenüber in eine moralisch fragwürdige und unterlegene Position zu drängen und Druck auszuüben. Sei es direkt und persönlich im Gespräch oder – wie bei politischen Parteien und Interessengruppen aller Art – indirekt durch entsprechende Forderungen und Propaganda.

Vorsicht ist also geboten, wenn eine Gruppe den „Umbau für eine gerechtere Gesellschaft“ oder ähnliches fordert: hier sind die Ideologen unterwegs, die glauben zu wissen, was gut und gerecht für alle ist. Meistens ist es das, was ihnen selbst nützt, zum Beispiel in Form von Macht und Einfluss, Geld oder öffentliche Aufmerksamkeit. Oder alles zusammen.

Mein Führungs-Tip

Es ist für uns als Führungskräfte und als Unternehmen weder sinnvoll noch plausibel, unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Potenzialen in unterschiedlichen Rollen und mit unterschiedlichen Erfahrungen immer gleich zu behandeln, nur um als „gerecht“ zu gelten.

Wenn wir mit unseren Kunden, Kollegen, Mitarbeitern und externen Partnern nach den Geboten der Fairness zusammenarbeiten und wenn wir glaubhaft positiven Unternehmenswerten folgen, entfällt jeder Grund für Gerechtigkeitsdiskussionen.

Wenn Mitarbeiter versuchen, mit der Forderung nach „mehr Gerechtigkeit“ zu polarisieren, versuchen sie zu manipulieren. Diesen Mitarbeitern – „Aktivisten“ in eigener Sache – sollte klargemacht werden, worum es bei diesem Spiel wirklich geht: um ihre Machtanmaßung und den Aufbau von moralischem Druck, um einen unfairen Vorteil für sich selbst oder eine bestimmte „Opfergruppe“ zu ergattern.

Als Führungskraft sollten wir uns darum bemühen, diese Spiele so klar wie möglich zu adressieren und so schnell wie möglich zu unterbinden. Denn leider kann man mit nichts anderem so leicht Menschen hinter sich scharen wie mit den Begriffen von Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit und Schuld.

Wer an die Existenz einer absoluten Gerechtigkeit glaubt hat Hoffnung. Wer aber glaubt zu wissen, was die absolute Gerechtigkeit genau ist und was nicht, leidet unter Hybris. Denn das Herstellen von absoluter Gerechtigkeit ist nur der göttlichen Allmacht vorbehalten. Und das ist gut so.

„Da bin ich jetzt aber enttäuscht!“

Ent-Täuschung und der vermeintliche Anspruch auf Erfüllung

Kürzlich traf ich einen Freund, den ich Corona-bedingt längere Zeit nicht gesehen hatte. Wir tauschten Neuigkeiten aus und kamen auch auf seine berufliche Situation zu sprechen. Er teilte mir mit, dass er vorhabe, die Firma zu verlassen, in der er seit mehr als 10 Jahren beschäftigt gewesen war. „Mein Chef hat mich jetzt schon so häufig enttäuscht, dass ich mir lieber was Neues suche!“, so seine Begründung für den Wechsel.


Auf meine Nachfrage hin erzählte er mir, dass er sich in den vergangenen Monaten sehr für ein bestimmtes Projekt engagiert hatte. Eine neue Plattform-Lösung sollte eingeführt werden und ein neu aufzustellendes Team danach die Plattform betreiben und weiterentwickeln. Für meinen Freund ein Thema, das genau in sein Kompetenzprofil passte und eine Chance zur Weiterentwicklung.


Ich hakte nach, warum er – trotz erfolgreicher Implementierung – ausgerechnet jetzt das Unternehmen verlassen wollte. Seine Begründung: „Obwohl es immer klar war, dass ich die Teamleitung übernehme, hat mein Chef mich im Regen stehen lassen und einen Externen auf die Stelle gesetzt. Ich bin so enttäuscht von ihm! Und die Zusammenarbeit ist unter diesen Umständen natürlich sehr schwierig geworden.“


In seiner Erzählung fiel mir auf, dass während des Einführungsprojektes scheinbar nie über die zukünftigen Rollen gesprochen worden war. „Da hatten wir ja alle Hände voll mit der Technik zu tun. Da war für sowas keine Zeit. Aber es war ja eh alles klar.“ War es das wirklich?
30 Minuten später hatte ich verstanden: Es hatte nie konkrete Verabredungen zur Rollenverteilung im zukünftigen Team gegeben. Mein Freund hatte sein Interesse an der Teamleiter-Stelle zwar mehrfach „durch die Blume“ geäussert, eine eindeutige Zusage war von seinem Chef aber nie geäussert worden. Und dass er sich auch bei der HR-Abteilung nicht auf die interne Stellenausschreibung gemeldet hatte – „Das war doch nur eine Formsache.“ – hatte ebenfalls nicht geholfen.

Enttäuschung ist das Ende einer Täuschung

Leider unterliegen wir Menschen – so auch mein Freund – ständig irgendwelchen Täuschungen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Wirklichkeit ganz anders funktioniert, als wir erwartet hätten. Unser Gegenüber verhält sich anders als gedacht, die Lieferung kommt später als erwartet, die Rechnung wird später gezahlt als vereinbart. Jedes Mal, wenn das passiert, haben uns unsere Erwartungen getäuscht. Wir haben uns einer Täuschung hingegeben und lernen nun, vielleicht schmerzlich, wo wir uns etwas „vorgestellt“ haben.

Insbesondere wenn wir mit anderen Menschen etwas vereinbaren, z.B. eine bestimmte Leistung, erwarten wir nicht nur die Erfüllung der Vereinbarung, sondern mehr. Auch wenn es nicht ausdrücklich angesprochen wurde, gehen wir selbstverständlich davon aus, dass der Handwerker weiß was er tut und nach den „Regeln der Kunst“ arbeitet. Wir erwarten auch, dass unser Gegenüber die gleiche Vorstellung davon hat, wie etwas im Ergebnis aussehen soll. Und wir wollen auch, dass die Abrechnung korrekt, der Inhalt einer Nachricht zutreffend und der Vertragspartner ehrlich mit uns ist.

Alle diese Erwartungen stehen unausgesprochen im Raum. Tut jemand dann etwas anderes als erwartet, sind wir bereit, dass Versehen zu entschuldigen, wenn wir vorher gute Erfahrungen gemacht haben. Waren wir aber bereits vorher kritisch eingestellt, ist das gleiche Versehen unverzeihlich und wird als Begründung für unsere Verletztheit herangezogen. „Ich habe ja gleich gesagt: Auf den kann man sich nicht verlassen!“

Dramatisieren hilft nicht!

Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, hilft es wenig, der Ent-Täuschung zuviel Raum zu geben. Jede Dramatisierung erfüllt nämlich eigentlich nur den Zweck, dass wir uns von unserer eigenen Verantwortung entlasten können. Und das ist der einzige Zweck.

Wären wir ehrlich mit uns selbst, müssten wir anerkennen, dass wir ebenfalls nicht dazu beigetragen haben, für Klarheit zu sorgen. Dahin ging auch der Rat an den Freund: „Bevor Du kündigst, solltest Du bei Deinem Chef klar ansprechen, was genau Dich in seinem Verhalten enttäuscht hat und wo er Deiner Ansicht nach eine Vereinbarung nicht eingehalten hat. Ihr könnt nur gemeinsam herausfinden, ob das absichtlich geschehen ist und wo die Erwartungen des jeweils Anderen nicht erfüllt worden sind.“

Mein Führungs-Tip:

Als Führungskraft muss ich mir darüber klar werden, wie ich mit Ent-Täuschungen umgehe. Wenn ich nicht will, dass eine Situation wegen enttäuschter Erwartungen eskaliert, muss ich selbst für eine Ent-Dramatisierung sorgen.

Habe ich ausreichend klar gemacht, was ich erwarte? Weiß ich zweifelsfrei, was mein Gegenüber von mir erwartet? Gab es Lücken in der Kommunikation, die für eine Ent-Täuschung gesorgt haben, z.B. eine unbekannte Absprache mit jemand anderem, ein Dokument, das nicht bekannt war, etc.?

Und was genau hat eigentlich die Ent-Täuschung ausgemacht? War es das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden? Gab es ein Missverständnis? Oder wurde (von Ihnen oder Ihrem Gegenüber) zu viel hinein interpretiert? Hatte Ihr Gesprächspartner das Gefühl, bewusst getäuscht worden zu sein? Und warum ist diese Sichtweise entstanden? Wie haben Sie zu diesem Gefühl – unbewusst – beigetragen?

Je klarer ich weiß, wie ich mit Enttäuschungen umgehe und je besser es mir gelingt, die Fakten und Abläufe von der emotionalen Seite zu trennen, umso leichter kann ich bewirken, dass nichts unnötig dramatisiert wird. Entdramatiserung kann nur der erreichen, der selbst nicht dramatisiert. Denn es gilt immer noch: „It´s not a personal thing!“

Denkblockaden – Konflikte und unsere Angst vor Ablehnung

woman explaining detail of project to colleague

Es gibt Begriffe, die gerade bei jüngeren Führungskräften instinktiv Abwehr erzeugen, Themen, die fast als Tabu aufgefasst werden. In der Reihe „Denkblockaden“ spüren wir diese Begriffe auf und setzen sie in einen hilfreichen Zusammenhang.

In einem Beitrag im Mai bin ich bereits auf das Thema „Konflikte“ eingegangen, dort ging es um die Angst vor der Konfrontation. In diesem 2. Teil will ich auf die Angst vor Ablehnung eingehen, die vielen Führungskräften Sorgen macht.

Eine Situation wie die folgende habe ich in den vergangenen 25 Jahren sehr häufig erlebt: Der neue Teamleiter X erläutert dem sehr erfahrenen Mitarbeiter Y, dass er für ein bestimmtes Problem eine andere Herangehensweise wünscht, als es bisher üblich gewesen ist. Mitarbeiter Y unterbricht ihn und weist darauf hin, dass dieses Vorgehen nicht funktionieren wird. Teamleiter X wird unsicher und fordert umso vehementer, dass die neue Methode angewendet werden soll. Y argumentiert dagegen, Teamleiter X fühlt sich provoziert, die Situation endet im Streit. Klingt das bekannt?

Wenn es zu einem Konflikt kommt, entsteht bei den Beteiligten häufig der Eindruck, der Gesprächspartner auf der anderen Seite des Tisches habe ein vollkommen anderes Weltbild als man selbst. Anscheinend sind die gegensätzlichen Standpunkte miteinander unvereinbar. Was ja – wie im Beispiel – kein Wunder sei, weil einerseits „der junge Schnösel noch grün hinter den Ohren ist und keine Ahnung hat“, während andererseits „der alte Sack sowieso nichts verändern will, weil er nur die Rente im Blick hat und mich als Manager gar nicht akzeptiert“. Klingt ganz schön verfahren, finde ich!

Aber woran liegt es, dass sich so häufig diese „unüberbrückbaren Hindernisse“ auftun? Aus meiner Erfahrung handelt es sich dabei häufig um „Schein-Konflikte“. Sie werden umso größer und ernster, je länger man sie unbearbeitet lässt und ihnen aus dem Wege geht. Denn ihr Entstehen beruht darauf, dass beide Konfliktparteien gar nicht darüber nachdenken, ob die Möglichkeit existiert, trotz aller Unterschiede zu einem gemeinsamen Ergebnis, einer „Fusion beider Standpunkte“, zu kommen.

Unser Ziel sollte es doch sein, unsere Lebensenergie für kreative Ideen einzusetzen, statt uns auf Kämpfe und Überwindung des Gegners zu konzentrieren. Warum fällt uns das so schwer?

Wer sich stark macht hat verloren!

Wenn innerlich der Puls hochjagt, weil mir jemand über den Weg läuft, mit dem ich noch einen Konflikt offen habe, fällt es mir sehr schwer, gelassen zu bleiben. Da ist dieses nagende Gefühl: „Mit Dir habe ich noch eine Rechnung offen.“ oder „Was hat sich die Kollegin jetzt wieder ausgedacht, um mich auf die Palme zu bringen?“.

Je häufiger ich mit jemandem aneinander gerate, umso schwerer fällt es mir, dieser Person unvoreingenommen zu begegnen. Ich kann dann nur schwer neutral sein, jedenfalls solange ich mir nicht Klarheit über meine eigenen Emotionen und mein bisheriges Verhalten verschafft habe. Denn genau da beginnt die Veränderung: Bei meinen eigenen Emotionen und meinem eigenen Verhalten.

Wer mich in meinen Workshops oder Coachings persönlich erlebt, wird früher oder später einen meiner Lieblingssätze hören: „Du kannst für jemand anderes nichts wollen!“

Mein Gegenüber verhält sich auf eine bestimmte Art und Weise. Und das löst bei mir eine bestimmte Reaktion aus. Tut mein Gegenüber das absichtlich? Keine Ahnung. Aber wenn es häufiger vorkommt, NEHME ICH AN, dass dahinter Absicht stecken MUSS.

Und was ist wenn nicht?

Wenn ich – im täglichen Leben und besonders in Konfliktsituationen – meine eigene Gelassenheit bewahren will, muss ich dafür sorgen, dass ich meinen Emtionen nicht zuviel Raum gebe. Wenn sie die Herrschaft übernehmen KANN ICH NICHT NEUTRAL BLEIBEN.

Und wenn ich nicht neutral bleiben kann, werde ich selbst zum Teil des Konfliktgeschehens. Ich wechsle also vom Beobachter des Konflikts auf der Sachebene zum BETEILIGTEN in der Auseinandersetzung. und damit habe ich meine Autorität als Beeinflusser oder Moderator des Konflikts verloren.

Genau das ist übrigens ein Trick von Menschen, die sich mit Konflikten profilieren wollen, insbesondere ein übliches Vorgehen bei Journalisten und Politikern: Man versucht das Gegenüber in einen Konflikt zu drängen, zum Beispiel durch Fragen, die eine unterschwellige Unterstellung enthalten. Wenn das Gegenüber darauf mit einer Verteidigungsrede reagiert – „Aber ich habe doch nie gesagt, dass…“ – werden gezielt weitere Provokationen eingesetzt, damit der Konflikt sich verschärft. „Sie wollen also ernsthaft behaupten, dass…“

Fallen die Provokationen auf fruchtbaren Boden, hat der Gesprächspartner sich in eine Position drängen lassen, in der er aus der neutralen Rolle zur Parteinahme für eine bestimmte Position gedrängt wurde. Und aus dieser Rolle kommt man ohne Image-Schaden nicht mehr heraus.

Deshalb gilt: Wer Konflikte lösen will, darf sich für keine Partei stark machen und muss die eigenen Emotionen unter Kontrolle haben!

Das ist keine persönliche Sache!

Egal ob es sich um einen eigenen Konflikt mit jemandem im Team oder um einen Konflikt zwischen anderen Beteiligten handelt: Jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass man sich ganz schnell die Finger verbrennen kann, wenn man sich einbringt. Gerade in Konflikten zwischen Team-Mitgliedern ist es als Führungskraft leicht, sich zwischen alle Stühle zu setzen. Mitarbeiter A versucht  – ebenso wie Mitarbeiter B – die Vorgesetzte auf seine Seite zu ziehen: „Sie denken doch auch, dass…“, „Sie haben ja selbst immer gesagt, dass…“ usw.

Deshalb müssen wir uns immer wieder als Mantra aufsagen: „Das ist keine persönliche Sache! Es hat nichts mit mir als Mensch zu tun! Es hat auch nichts mit meinem Gegenüber als Mensch zu tun! Es geht nur um unterschiedliche Auffassungen oder um eine unterschiedliche Beurteilung der Situation!“

Mit dieser Grundhaltung erkennen wir an, dass sowohl unser Kontrahent wie wir selbst ein großes Interesse daran hat, ein Problem zu lösen und etwas Gutes zu bewirken.

Indem wir auf diese Weise eine neutrale Position einnehmen können, ist der Umgang mit Provokationen wesentlich einfacher. Wir können uns sagen: „Diese Person beschimpft nicht mich als Person, sondern die Rolle, die ich wahrnehme. Ihre negativen Gefühle haben nichts mit mir zu tun. Ich bin nur die Projektionsfläche für eigene Unzufriedenheit oder Sorge.“

Weglaufen gilt nicht!

Leider haben wir als Führungskräfte nicht die Möglichkeit, den Konflikten auszuweichen, die immer wieder auf uns zukommen. Auch wenn wir es viel lieber hätten: Konflikte werden durch unsere Zurückhaltung eher verstärkt als gelöst. Es ist unsere originäre Aufgabe, sie aufzunehmen, zu verstehen, aufzulösen und in etwas Nützliches zu transformieren.

Insbesondere in Situationen größerer Veränderungen im Unternehmen entstehen vielfältige Konflikte:

  • Alte Rollen werden überflüssig und neue Rollen werden geschaffen.
  • Prozesse verändern sich und Ansprechpartner wechseln.
  • Neue Zuständigkeiten sorgen dafür, dass neue Absprachen getroffen werden müssen.
  • Das, was bisher „auf dem kleinen Dienstweg“ gelöst werden konnte, wird plötzlich schwieriger.
  • Das Netzwerk aus persönlichen Beziehungen und das Geflecht aus gegenseitigen Abhängigkeiten verliert plötzlich an Bedeutung.
  • Neue Vorgesetzte haben andere Erwartungen und Vorstellungen an Kommunikation, Abstimmung und Arbeitsergebnisse.

Jeder Konfliktherd im Rahmen dieser Change-Prozesse will bearbeitet und im Idealfall aufgelöst werden. Verantwortlich dafür sind nicht nur die Change-Verantwortlichen im Projekt, die diese Konflikte aufspüren und adressieren müssen, sondern auch und gerade die Führungskräfte in der Organisation. Sie können diese Verantwortung nicht delegieren. Aber sie können bestenfalls gemeinsam mit dem Change-Team versuchen, Wege zu entwickeln, wie die Konflikte in etwas Neues transformiert werden, dass die Organisation weiterbringt. Sei es eine kreative Problemlösung, die Neubewertung eines Prozesses oder die Einführung neuer Führungs- und Gesprächsformate: Konflikte können Geschenke sein.

Denkblockaden: Einfluss nehmen – und die Angst vor Manipulation

Bestimmte Begriffe erzeugen häufig interne Abwehrreaktionen. In der Reihe „Denkblockaden“ gehe ich diesen Begriffen nach und erläutere, warum es wichtig ist, sich mit dem einen oder anderen „Tabu“ näher zu beschäftigen. Heute geht es um den Begriff der „Einflussnahme“ und der damit verbundenen Angst vor Manipulation.

In meiner Jugend und als junger Erwachsener gab es einen Satz meiner Eltern, der bei mir sofortigen Widerstand erzeugt hat. Dieser Satz lautete: „Ich will Dir ja nichts vorschreiben, aber…..“.

Unabhängigkeit war mir immer wichtig. Ich wollte selbst Herr meines Schicksals sein, gestalten und selbst bestimmen, wohin meine Reise gehen sollte. Wie jeder junge Mensch um die 20 war ich fest davon überzeugt, es besser zu wissen als meine Eltern, die damals bereits ein für mich fast biblisches Alter von über 60 Jahre erreicht hatten. Und ihren Versuchen, mir hilfreiche Tipps und Empfehlungen zu geben, widerstand ich – manchmal obwohl ich spürte, dass sie recht hatten – dadurch, dass ich das genaue Gegenteil machte.

Die Folgen habe ich tapfer und ohne Gejammer über die Ungerechtigkeit der Welt getragen. Meine Entscheidung, mein Fehler. So wurde ich erzogen. Mein Vater nannte das: „Lehrgeld zahlen.“

Ein Leben ohne Beeinflussung von außen: geht das?

Auch in der Ausbildung von jungen Führungskräften und in meinen Coaching-Seminaren war das Thema der gegenseitigen Einflussnahme immer wieder Gegenstand längerer Diskussionen.

„Ich will doch meine Mitarbeiter nicht manipulieren!“ – „Ich mache meinem Team ein Angebot, aber entscheiden müssen sie sich dann schon selber.“ – „Ich halte nichts von Motivationsveranstaltungen. Das ist ja wie eine Gehirnwäsche.“ – „Keine Psycho-Tricks!“ Diese und ähnliche Statements gab es häufig, wenn ich in meinen Führungsworkshops sagte: „Andere führen bedeutet, sie in eine Richtung zu beeinflussen, die dem Team oder dem Unternehmen dient.“

Und in Coaching-Workshops wird immer wieder diskutiert, ob man als Coach seine Coachees beeinflussen darf oder nicht. In der klassischen Freudianischen Psychotherapie ist dies ein Grundsatz: Für den Behandlungserfolg ist es wichtig, dass eine belastende Situation, z.B. aus der Kindheit, in einer gesicherten Umgebung neu durchlebt werden kann, um sie dann zu verarbeiten und abzuschließen. Der Therapeut soll sich dabei auf die Rolle des Beobachters und Prozessbegleiters konzentrieren. Er soll möglichst keinen Einfluss nehmen.

Aber ist das realistisch? Ich glaube nicht.

Während unseres gesamten Lebens treten wir mit anderen Menschen in Kontakt und nehmen vielfältige Eindrücke wahr, die uns in unserem Denken und Handeln beeinflussen. Wir werden von anderen Menschen inspiriert, manchmal lehnen wir auch andere Menschen und ihre Verhaltensweisen ab, sympathisieren mit bestimmten Ideen und verwerfen andere.

Wir nehmen Einfluss auf andere und werden durch andere beeinflusst. Und dazu ist manchmal nur die reine Anwesenheit oder Abwesenheit einer Person nötig. „Wenn Tante Agathe nicht dabei ist, können wir ja mal über X und Y reden. Das Thema regt sie immer so auf.“ – „Eigentlich war die Stimmung auf der Party super, aber als der Chef dazu kam, war irgendwie die Luft raus.“

Einflussnahme und Manipulation sind nicht das Gleiche!

Wenn wir mit unserem Team neue Wege einschlagen wollen, Ziele erreichen wollen und dafür unser Verhalten ändern müssen, wenn wir uns aufmachen in unbekannte Gewässer: dann müssen wir unser Team beeinflussen.

Wenn wir unserem Coachee dabei helfen wollen, seine Perspektive zu verändern, eine belastende Situation anders zu bewerten oder eine unbewusste innere Grenze zu überwinden, müssen wir Einfluss ausüben.

Das ist im zwischenmenschlichen Kontakt ein normales Vorgehen. Wichtig ist dabei aber, dass wir offenlegen und nachvollziehbar machen, welche Ziele wir dabei verfolgen, warum und wie wir unseren Einfluss ausüben wollen, um diese Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund ist das 3. Gebot meiner „Fünf Gebote für erfolgreiche Führung“ das Gebot der Transparenz!

Manipulation, genauer: manipulatives Verhalten liegt immer dann vor, wenn wir – neben den offenliegenden Zielen – weitere verdeckte Ziele verfolgen und uns einen eigenen Vorteil verschaffen. Dabei ist es unwichtig, ob es sich um persönliche, egoistische Vorteile handelt oder um verdeckte Ziele, die dem Unternehmen dienen.

Manipulatives Verhalten sorgt also durch das Vorenthalten von bestimmten Informationen und durch geschickte Beeinflussung dafür, dass jemand etwas tut, dass er/sie eventuell nicht getan hätte, wenn er/sie alle Informationen gehabt hätte. Üblicherweise wird dabei versucht, Angst zu erzeugen oder durch die ständige Wiederholung bestimmter Dinge das Denken des Gegenübers zu beeinflussen.

Im Unternehmensalltag ist die Gefahr der Manipulation insbesondere dann gegeben, wenn wir es mit einer schwachen Führungskraft zu tun haben, die Angst vor Widerständen hat oder wenn jemand Ziele verfolgt, die ethisch fragwürdig sind oder einen unangemessenen Vorteil zu unseren Lasten verschaffen sollen. Grundregel: Wenn Ihr Bauch sagt, dass etwas faul ist, stimmt das meistens.

Führung ohne Einflussnahme geht nicht!

Als Coach und als Führungskraft tragen Sie eine hohe Verantwortung für die Menschen, die Ihnen anvertraut sind. Die Scheu davor, andere Menschen bewusst zu beeinflussen, entstammt der Angst, durch diese Beeinflussung etwas auszulösen, das Sie nicht vorhersehen können und für die Konsequenzen Verantwortung übernehmen zu müssen.

„Ich will aber nicht dafür verantwortlich sein, dass Mitarbeiter X sich schlecht fühlt.“ – „Ich sage der Kollegin lieber nicht, dass ….., weil es sie verletzen könnte und sie ist doch so sensibel.“

Mit dieser Einstellung werden Sie Ihrer Rolle als Impulsgeber, Coach oder Führungskraft nicht gerecht. Ihre Mitarbeiter oder Coachees dürfen von Ihnen Orientierung erwarten und tun dies auch. Sie haben in Ihrer Rolle automatisch eine Vorbildfunktion inne, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Ihr Verhalten oder Nicht-Verhalten wirkt auf Ihre Mitarbeiter, es übt einen Einfluss aus.

Wenn Sie es ablehnen, Orientierung zu geben und dafür die Verantwortung zu übernehmen, weil sie ihre Partner „nicht beeinflussen wollen“, setzen Sie sich damit in eine unangemessene Rolle. Denn Sie unterstellen damit, dass Ihr Gegenüber nicht in der Lage dazu ist, selbst zu entscheiden, wie sie/er mit einer Situation, einem Rat oder einer negativen Information umgehen soll. Wie bei einem Kind nehmen Sie damit die Rolle des „kümmernden Elternteils“ ein, der lieber die Dinge selbst regelt, als dem „Kind“ eine eigene Erfahrung zu ermöglichen. Und das ist: Manipulation.

Wenn Sie mit Ihrem Gegenüber oder mit Ihrem Team eine respektvolle, offene Beziehung etabliert haben und integer und vollständig kommunizieren, was Sie vorhaben und was Sie bewegt, dann liegt die Verantwortung nicht bei Ihnen als „Absender“, sondern beim „Empfänger“. Anders formuliert: Wie eine Botschaft kommuniziert wird oder wie ein Wunsch geäußert wird, ist Sache des Absenders. Wie mit dieser Botschaft dann umgegangen wird, ist Sache des Empfängers. Und dieser sollte über alle Informationen verfügen, um sich frei entscheiden zu können.

Trauen Sie dem Anderen ruhig mehr zu! Und sich selbst auch, indem Sie die innere Barriere der „Angst vor Beeinflussung“ überwinden.


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Churchill, Leadership und was ein kleines Bild damit zu tun hat.

Vor wenigen Tagen – am 1. März 2021 – wurde auf einer Auktion bei „Christie´s“ in London ein ganz besonderes Bild versteigert. Gemalt hat es Winston Churchill im Jahr 1943 im Anschluss an die Konferenz von Casablanca. Das Bild trägt den Titel: „Tower of the Koutouba Mosque“ und ist nur 45,7 x 61 cm groß. Es erzählt eine interessante Geschichte.

Winston Churchill – genauer: Sir Winston Leonard Spencer-Churchill – wurde 1874 in Blenheim Palace (Oxfordshire) geboren. Pikanterweise in einer Damengarderobe dieses größten Palastes in England. Als Sohn eines konservativen Politikers und naher Verwandter des Duke of Marlborough trat er eine Militär-Karriere an und arbeitete als Kriegsberichterstatter. 1901 wurde er Mitglied des Unterhauses und blieb es für 60 Jahre. Im 1. Weltkrieg diente er unter anderem als Erster Lord der Admiralität. Die Schlacht bei Gallipoli (1915) unterbrach seine Karriere, weil er für die Niederlage verantwortlich gemacht wurde. Bereits 1916 war er aber wieder Mitglied im Kriegskabinett von Lloyd George.

Während des 2. Weltkriegs war Winston Churchill zwei Mal Premierminister von Großbritannien, 1940 – 1945 und ein weiteres Mal von 1951 bis 1955. Im Jahr 1953 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Churchill verfügte über viele Talente. Neben der Tätigkeit als Journalist, Publizist und Schriftsteller hatte er auch ein Talent fürs Malen. Bis zu seinem Tod 1965 produzierte er über 500 Bilder. Keines davon verkaufte er, sondern verschenkte sie an Familie und Freunde.

Das ist umso erstaunlicher, weil er mit dem Malen erst im Alter um die 40 begann. Für ihn erfüllte das Malen einen therapeutischen Zweck, um etwas gegen seine Depressionen – den „schwarzen Hund“ wie er sagte, tun zu können.

Das Bild, um das es hier geht, war das einzige Werk, das er während des 2. Weltkrieges malte. Die Anforderungen des Krieges forderten ihren Tribut.

Im Jahr 1943 gab sich Churchill keinen Illusionen darüber hin, dass die alliierten Kriegsmächte unter britischer Führung ohne den Eintritt der U.S.A. den Krieg gegen Hitler gewinnen könnten. Die Tatsache, das Franklin Delano Roosevelt seine Wiederwahl im Jahr 1940 an das Versprechen gegenüber seinen Landsleuten gebunden hatte, die Vereinigten Staaten aus dem Kriegsgeschehen heraus zu halten, machte Churchills Sorgen nicht kleiner. Über 18 Monate lang hatte er alles daran gesetzt, Roosevelt vom Kriegseintritt trotzdem zu überzeugen.

Im Dezember 1941 war es schließlich soweit, den letzten Anstoß hatte der japanische Angriff auf Pearl Harbour gegeben. Und damit hatten sich die Gewichte innerhalb der Koalitionen verschoben. Der Einfluss Großbritanniens nahm ab und Churchill musste alles daran setzen, die besondere Beziehung zu Roosevelt aufrecht zu erhalten, um gegenüber Russland nicht an Einfluß zu verlieren.

Diese enge persönliche Beziehung hatte Churchill über viele Jahre gehegt und gepflegt. 1941 waren die beiden Staatsmänner auf der „Prince of Wales“ in der Placentia Bay in Neufundland zusammengetroffen, um die Atlantik-Charta zu verhandeln. Vom 22. Dezember 1941 bis zum 14. Januar 1942 befand sich Churchill mit wesentlichen Teilen seines Kriegskabinetts in Washington D.C., um im Rahmen der „Arcadia-Konferenz“ über die Landung in Nordafrika – Rommel stand vor Tobruk – und die Gründung eines gemeinsamen militärischen Oberkommandos (CCS – Combined Chiefs of Staff) zu beraten. In diesen zwei Wochen hatten Churchill und Roosevelt auch privat Zeit miteinander verbracht, Churchill verbrachte gemeinsam mit Roosevelt das Weihnachtsfest.

Churchill hatte bei diesem langen (und geheimen) Aufenthalt alles getan, um die persönliche Beziehung zu Roosevelt zu festigen. Die Konferenz von Casablanca diente der Vorbereitung der Invasion Europas und legte u.a. als Kriegsziel die bedingungslose Kapitulation Deutschlands und Japans fest. Wie kritisch gute Beziehungen zu Roosevelt für Churchill waren, zeigt folgende Anmerkung aus seinen eigenen Memoiren zur gemeinsamen Pressekonferenz am 24. Januar 1943: „Ich sprach nach dem Präsidenten und schloß mich ihm natürlich an. Jede Abweichung von seinen Ausführungen, sei es auch nur durch Auslassung, hätte in einem solchen Moment und bei einer solchen Gelegenheit unsere Kriegsanstrengungen beeinträchtigt, ja gefährdet.“ (Winston S. Churchill: „Der zweite Weltkrieg“, S. 579, Scherz-Verlag Bern 1954).

Er bemerkte weiter: „Als uns die Zeitungsberichterstatter erblickten, vermochten sie kaum ihren Augen zu trauen, und als man ihnen sagte, daß wir schon beinahe zwei Wochen da seien, auch nicht ihren Ohren. (…) Als Präsident Roosevelt die Anstalten zu seiner Abreise traf, sagte ich zu ihm: „Sie können doch nicht die weite Reise nach Nordafrika gemacht haben, ohne Marrakesch aufzusuchen. Gehen wir auf zwei Tage hin. Wenn Sie den Sonnenuntergang auf dem Atlasgebirge beobachten, möchte ich Ihnen gern Gesellschaft leisten. (…) Daraufhin beschlossen wir, samt und sonders nach Marrakesch zu fahren. Roosevelt und ich benutzten auf der zweihundertfünfzig Kilometer langen Fahrt den gleichen Wagen. (…) Während der fünfstündigen Fahrt redeten der Präsident und ich meistenteils von unseren Aufgaben, berührten aber auch leichtere Themen. (…) Gegen Abend trafen wir in der Villa ein, wo uns Vizekonsul Pendar gastlich empfing. Ich veranlasste den Präsidenten, sich auf den Turm der Villa zu begeben. Er ließ sich auch in einem Stuhl hinauftragen und genoß den wundervollen Sonnenuntergang auf den schneebedeckten Bergen des Atlas.“ (S. 582)

Winston Churchill u. F. D. Roosevelt auf dem Turm der Villa Taylor, Marrakesch, 24. Januar 1943 (Quelle: Auktionskatalog Christie´s, 01.03.2021)

Churchill erinnert sich weiter: „Frühmorgens am 25. wollte mein großer Kollege zu seinem weiten Flug über Lagos und Dakar und quer über den Südatlantik nach Brasilien und nordwärts nach Washington aufbrechen. Wir hatten uns bereits am Abend zuvo verabschiedet, aber in der Früh kam er auf dem Weg zum Flugzeug zu mir, um mir noch einmal Lebewohl zu sagen. Ich lag im Bett, wollte aber jetzt nichts mehr davon hören, ihn allein zum Flugpatz fahren zu lassen; ich sprang aus dem Bett, legte mein zip an (eine Art Overall und typisch für Churchill) und sonst nichts als Hausschuhe. In dieser inoffiziellen Gewandung begleitete ich ihn zum Flugplatz, bestieg die Maschine und sah zu, wie man es ihm bequem machte. Ich bewunderte seinen Mut angesichts seiner körperlichen Behinderung und sorgte mich wegen der vor ihm liegenden Gefahren. (…) Dann kehrte ich in die Villa Taylor zurück, wo ich zwei weitere Tage über einer Korrespondenz mit dem Kriegskabinett über meine künftigen Schritte verbrachte. Auf dem Turm malte ich das einzige Bild, das ich während des ganzen Krieges zu malen unternommen habe.“ (S. 582-583)

Das Bild sendete Churchill dann als persönliches Geburtstagsgeschenk an Roosevelt und schrieb ihm dazu, es solle ein „Andenken an das allzu kurze Intermezzo“ sein, das sie „im Absturz des Krieges“ geteilt hatten.

Winston Churchill – Tower of the Koutouba Mosque, 1943, Öl auf Leinwand,
Christie´s Auktion „Modern British Art Evening Sale“, 1. März 2021, London (UK)
(Quelle: Auktionskatalog Christie´s, 01.03.2021)

Was wir daraus lernen können: Entschlossenheit und Diplomatie müssen nicht nur die harten Fakten berücksichtigen! Herausragende Führung ist immer auch Empathie und echtes Interesse am Gegenüber. Und dafür braucht es gemeinsam verbrachte Zeit und besondere Erlebnisse, die miteinander verbinden.

Einer der großen Bausteine für das Zusammenwirken der alliierten Kräfte im Kampf gegen Deutschland und Japan war die enge persönliche Beziehung und Freundschaft zwischen Churchill und Roosevelt. Diese erhielt im weiteren Kriegsverlauf und bei der Gestaltung Nachkriegs-Europas eine noch größere Bedeutung. Insbesondere in den Verhandlungen mit Stalin, aber auch mit der französischen Exil-Regierung unter de Gaulle und bei anderen Gelegenheiten konnte sich Churchill auf dem Schulterschluss mit Roosevelt verlassen und seine Positionen durchsetzen.

Er war entschlossen, das Gewicht des Vereinigten Königreiches zu erhalten, auch wenn Kolonien wie Singapur, Hongkong und weite Teile Südostasiens verloren waren. Mit Forderungen und Powerplay hätte er sich nicht durchsetzen können. Die persönliche Diplomatie, das „Softplay“ auf der Beziehungsebene und die sorgfältige Etablierung und Pflege der persönlichen Beziehungen machte den Unterschied.

Er schaffte ein besonderes Erlebnis, indem er gemeinsam mit Roosevelt diesen so besonderen Sonnenuntergang genoss. Das verlangte von beiden, sich dem anderen gegenüber auch emotional öffnen zu können, um gemeinsam erleben zu können. So werden persönliche Verbindungen geschaffen, die belastbar sind.

Das kleine Bild war kein gewöhnliches Geschenk zwischen politischen Führern. Es symbolisierte vielmehr die Zeit, Sorgfalt und das ganze Können Churchills, die er für seine besondere Beziehung zu Roosevelt eingesetzt hatte. Um ihm eine Freude zu machen und an ein gemeinsames Erlebnis zu erinnern. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger!


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Kommunizieren in der Krise – worauf es ankommt.

Meine Erfahrung aus mehr als zwanzig Jahren intensiver Arbeit in der Organisationsentwicklung und im Leadership Coaching haben mir immer wieder Folgendes bestätigt:

  1. Wenn Sie glauben, als Führungskraft die Krise zu „fixen“ oder „überwinden“ zu können, überschätzen Sie Ihren Einfluß. Weder die Corona-Krise noch ihre zunehmend erkennbaren ökonomischen und sozialen Resultate können weg ge-„mananged“ werden. Wir können lediglich daran arbeiten, die Krisenfolgen für die eigene Organisation möglichst erträglich zu gestalten. Wir müssen „auf Sicht fahren“ und möglichst flexibel und überlegt das Machbare umsetzen. Die Krise darf uns nicht lähmen.
  2. Wie stark die Krise Sie und Ihr Unternehmen trifft, liegt nicht nur an äußeren Einflüssen, sondern auch daran, wie gut bereits früher bestehende interne Probleme erledigt sind. Wurden sie nur halbherzig bearbeitet oder grundlegend beseitigt? Je größer die Altlasten, umso schwerer trifft die Krise.
  3. Die gute Nachricht darin ist: Diese Altlasten können – ebenso wie viele andere Krisenfolgen – durch klare Analysen, gemeinsames Nachdenken und konsequente Umsetzung von Maßnahmen gelöst werden.

In der Krisenbewältigung bewegen wir uns im Rahmen folgender Bedingungen:

  1. Die meisten Menschen sind nicht in der Lage, mit besonders herausfordernden Situationen umzugehen. Sie suchen in ihrer Verunsicherung Orientierung von außen, besonders bei ihren Führungskräften.
  2. Unter psychischem Druck leidet die Fähigkeit, in systematischen Zusammenhängen zu denken. Trotz fachlicher Expertise werden daher häufig naheliegende Lösungen übersehen.
  3. Teams neigen in Stress-Situationen dazu, sich in ihren Silos zu isolieren und „den eigenen Hof sauber“ zu halten. Sie arbeiten dann zu wenig teamübergreifend und suchen nicht gemeinsam nach Ideen und Lösungen. Dadurch verpufft organisationale Energie.
  4. Veränderungsprozesse verlaufen selten linear. Sie entwickeln sich in verschiedenen Stufen. Dabei wechseln sich positive und negative Stimmungslagen ab. Als Führungskräfte müssen wir erkennen können, wo die Mitarbeiter gerade stehen und darauf durch angemessene Kommunikation reagieren.

Das bedeutet für Ihre Kommunikation und den Umgang miteinander:

  1. Sagen Sie die Wahrheit. Ist die Lage für Ihr Unternehmen ernst? Dann teilen Sie den Mitarbeitern mit, dass die Lage ernst ist. Vermeiden Sie Übertreibungen ebenso wie Relativierungen. Ihre Mitarbeiter sind erwachsen und wollen auch so behandelt werden. Niemand wird Ihnen vertrauen können, wenn das Gefühl besteht, Sie wollten Ihr Team „schonen“, es nicht beunruhigen. Ihre Mitarbeiter bilden sich eine eigene Meinung. Das ist nicht zu vermeiden. Zutreffende Informationen helfen dabei.
  2. Kommunizieren Sie regelmäßig, auch wenn der Kalender gerade überquillt. Dafür werden Sie bezahlt. Vermeiden Sie Durchhalte-Parolen. Formulieren Sie stattdessen möglichst klar, was jetzt gebraucht wird und was Sie von Ihrem Team erwarten. Stellen Sie den Zusammenhang zu den übrigen Maßnahmen im Unternehmen her. So können Ihre Mitarbeiter am besten erkennen, worin ein wertvoller Beitrag zur Überwindung der Probleme besteht.
  3. Seien Sie möglichst transparent. Scheuen Sie sich nicht, zu zeigen, an welchen Stellen die Organisation in der Vergangenheit Fehler gemacht hat und welche Dinge heute neu bewertet werden müssen. Zeigen Sie, dass Ihre Organisation lernfähig ist und machen Sie klar, welche Prioritäten jetzt anstehende Entscheidungen leiten.
  4. Wenn Sie sich für neue Wege und Vorgehensweisen entschieden haben, setzen Sie diese in aller Konsequenz um. Jetzt ist nicht die Zeit, herum zu lavieren. Stellen Sie sicher, dass der neue Weg nicht durch Angst vor sozialem Widerstand aus der Belegschaft aufgeweicht wird und faule Kompromisse geschlossen werden. Das schadete Ihrer Glaubwürdigkeit und reduziert die Bereitschaft Ihres Teams, mitzuhelfen. Stattdessen wird dann lieber „abgewartet, wohin sich das Ganze hier entwickelt.“
  5. Gestatten Sie sich selbst und anderen keine Lässigkeit in Bezug auf den respektvollen Umgang miteinander. Bestehen Sie auf gegenseitiger Wertschätzung. Wer glaubt, dass großer Druck und außergewöhnliche Umstände fehlende Höflichkeit entschuldigen, ist lediglich unerzogen und eine zusätzliche Zumutung für das engere Umfeld.

Für einen unverbindlichen Gedankenaustausch über Ihre konkreten Herausforderungen in der aktuellen Lage nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf. In unserem vertraulichen, kostenfreien Kennenlern-Gespräch diskutieren wir miteinander, wie Sie als Führungskraft sowohl sich wie auch Ihr Team bestmöglich auf die neuen Herausforderungen einstellen können.

Zur Terminvereinbarung geht es hier:

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Five Elements Consulting & Training GmbH

Wir entwickeln Führungs-Kräfte!

Klimawandel – ein volkswirtschaftliches Risiko 2019?

Insbesondere in 2019 fokussierten sich die mediale Berichterstattung in Deutschland ebenso wie die gesellschaftlichen Diskussionen auf den Klimawandel. Düstere Szenarien und Endzeitstimmung machen sich breit. Dürresommer, Waldsterben, Jahrhunderteiszeit.

Bei der Herausgabe des aktuellen Risikoberichts des World Economic Forums waren wir bei Five Elements neugierig darauf, was die Volkswirtschaften weltweit als Risiken einstufen. Insbesondere Klima- und Umweltthemen machen nicht an Ländergrenzen halt. Sie sind ein Gesamt-Weltthema.  Globalisierung hat die nationalen Volkswirtschaften, Systeme und Branchen eng miteinander vernetzt und macht sie damit störungsanfälliger für wirtschaftsbeeinflussende Risiken und Ereignisse anderer Länder. Dies sollte man bei der Analyse von Ländersituationen bedenken. (WEF 2019: 7).

Top 5 Risiken, World Economic Forum, Risikobericht 2019

TOP Risiken: Finanzkrisen, Cyberattacken, Arbeitslosigkeit

Im Ranking der höchsten volkswirtschaftlichen Risiken sind sowohl global wie in Europa die TOP 5 Plätze von den Sorgen vor den Folgen von Finanzkrisen, Cyberangriffen sowie Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung auf die Volkswirtschaften besetzt.

Die Beunruhigung um mögliche Finanzkrisen überrascht nicht, denn, gemessen an den sieben größten Volkswirtschaften, die 60% der weltweiten Produktion ausmachen, zeigt sich, dass sich das Wirtschaftswachstum deutlich verringert und die Verschuldung spürbar erhöht hat. Ein Zusammenspiel, das die Wahrscheinlichkeit von „fiskalischen Krisen“ erhöht. (Vgl. Smith-Bingham 2019)

Cyberangriffe sind das Risiko No. 1

Angesichts der sich immer weiter entwickelnden kriminellen Angriffsmechanismen auf der einen, und der durch fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaften entstandenen technologischen Abhängigkeiten auf der anderen Seite, werden Cyberangriffe in Europa als volkswirtschaftliche Gefährdung No.1 empfunden. Aber auch in Kanada, Qatar, Singapur, in der Schweiz, in den USA sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten werden Cyberangriffe 2019 als höchstes Risiko eingestuft. (Vgl. WEF 2019: 28-35) Global liegt dieses Risiko auf dem zweiten Platz und wird damit als bedeutender eingestuft als die Gefährdung durch Terroranschläge.

Zwischenstaatliche Konflikte europäisch auf Platz 3, global auf Platz 8

Erstaunlich, dass trotz des Fehlens militärischer Feindseligkeiten innerhalb Europas die Sorge um die wirtschaftlichen Auswirkungen zwischenstaatlicher Konflikte hier auf Platz 3 liegt. In Polen wird dieses Risiko sogar als das höchste empfunden. Weltweit wird dieses Risiko in der Russischen Föderation, in Taiwan-China und im Jemen an erster Stelle gesehen. In Frankreich, Litauen, Luxemburg, Slowenien, der Schweiz, der Türkei und Ungarn rangiert es unter den Top 3. (WEF 2019: 28-35).

Risiko No.4: Der Energiepreisschock, sowohl auf globaler wie auch europäischer Ebene

Extreme Wetterereignisse und Naturkatastrophen sind es nicht, deren Auswirkungen auf die globalen und europäischen Volkswirtschaften unter den TOP 5 als riskant eingestuft werden. Es ist der Energiepreisschock. Im Vergleich zu 2018 um acht Plätze stieg dieses Risiko in Europa und liegt aktuell, analog zur globalen Platzierung, an vierter Stelle des Rankings. Insbesondere auf dem Balkan verschärft ein großer Energie-Preisanstieg von bis zu 40% in 2019 diese Sorge. Darüber hinaus werden starke Steigerungen der Ölpreise durch Verschärfungen von geopolitischen Spannungen und unvorhersehbare Ereignisse erwartet. Nicht zuletzt verstärken Übergangskosten durch den Kohleausstieg diese Befürchtung. (WEF 2019: 17)

Extreme Wetterereignisse und Naturkatastrophen nicht unter den TOP 10 aber regional von Bedeutung

Für uns war überraschend, dass sich in den globalen TOP 10 volkswirtschaftlicher Risiken die Befürchtungen um Auswirkungen extremer Wetterereignisse, Naturkatastrophen, von Wasser- oder Nahrungsmittelkrisen nicht wiederfinden. Auch in den TOP 10 Europas kommen sie nicht vor.

In der Regional-Betrachtung zeigt sich, dass vor allem die Volkswirtschaften Ostasiens und des Pazifik stärker von diesen Risiken geprägt sind. Hier liegt die Sorge um Auswirkungen von Naturkatastrophen auf dem ersten Platz, die der negativen Einflüsse von extremen Wetterereignissen auf dem fünften Platz. (WEF 2019: 12).

Auch in den USA liegen die Wetter- und Naturkatastrophen in der Risiko-Einschätzung 2019 an neunter und zehnter Stelle.

In Südasien ist die Furcht vor Wasserkrisen am höchsten, an dritter Stelle steht die Angst vor Umweltkatastrophen. (WEF 2019:24) Auch der Mittlere Osten und Nordafrika (Platz 7) sowie die Region Subsahara (Platz 8) sehen Wasserkrisen als ein hohes volkswirtschaftliches Risiko an.

Sorge um Auswirkungen extremer Wettereinflüsse in Europa angekommen

Wendet man den Blick nach Europa, so lässt sich feststellen, dass die Sorge vor den Auswirkungen extremer Wettereinflüsse auf die Volkswirtschaften auch hier bereits zu finden ist. Extreme Wetterereignisse werden in Bulgarien und Norwegen als höchstes wirtschaftliches Risiko eingestuft. In Österreich belegt sie Platz 3, in Island und Ungarn jeweils Platz 5.

Naturkatastrophen sind eher außerhalb Europas ein dominantes Thema: Für Chile, China, Japan und Neuseeland stellen sie das volkswirtschaftliche Risiko No. 1 dar, in Island liegen sie auf Platz zwei.

Nahrungsmittelkrisen – weder global noch europäisch unter den TOP 10

Auch das volkswirtschaftliche Risiko durch Nahrungsmittelkrisen findet sich weder unter den globalen noch den europäischen TOP 10. Für Länder wie Burundi, Eswatini, Äthiopien, Gambia, Guinea, Haiti, Kenia und Jemen spielen sie dagegen bereits heute eine zentrale Rolle und finden sich dort unter den TOP 5.

Als einziges Land Europas sieht 2019 Italien ein wirtschaftliches Risiko durch drohende Nahrungsmittelkrisen (Platz 4 im nationalen Ranking).

Fehler in der Anpassung an den Klimawandel werden hauptsächlich in Europa wahrgenommen – aber: ohne Zusammenhang zu umweltbezogenen Risiken

Weder im globalen TOP 10 Ranking, noch in dem für Gesamt-Europa oder anderer Regionen findet sich das volkswirtschaftliche Risiko von negativen Auswirkungen durch die fehlende Anpassung an den Klimawandel. Weltweit wird dieses Risiko überhaupt nur von Chile, Lesotho und Mauritius genannt.

Anders das Bild auf Länderebene: Hier werden Risiken durch fehlende oder falsche Anpassung an den Klimawandel nur in europäischen Ländern als Gefährdung angesehen: In Finnland stehen sie an zweiter Stelle, in den Niederlanden und Schweden an vierter und in Irland und Österreich an fünfter Stelle.

Bemerkenswert ist für uns, dass dieses Risiko in den europäischen Ländern scheinbar unabhängig von anderen umweltbezogenen Risiken, wie z.B.  extremen Wetterereignissen und Naturkatastrophen empfunden wird. Einzige Ausnahme ist hier Österreich.

Betrachtet man umgekehrt die Rankings in denjenigen europäischen Ländern, in denen Naturkatastrophen oder extreme Wettereinflüsse als wesentliches volkswirtschaftliches Risiko angesehen werden, wie z.B. in Bulgarien, besteht hier wiederrum keine Sorge vor Risiken durch Anpassungsfehler an den Klimawandel. Obwohl beide Risikoarten eng miteinander zusammenhängen müssten, werden sie also sehr unterschiedlich beurteilt.

Fehlt es am ganzheitlichen Verständnis?

Warum werden einerseits offenkundige Zusammenhänge nicht gemeinsam betrachtet? Warum werden andererseits Risiken für die Volkswirtschaften als bedrohlich angesehen, obwohl es eine aktuelle Konfrontation mit z.B. Naturkatastrophen noch nicht gegeben hat?

Ist die Einschätzung eines hohen Klimawandel-Risikos in europäischen Ländern also eher vorausschauend oder im Vergleich zu stärker betroffenen Ländern eher übertrieben?

Und vor allem: wie würde eine Sensibilisierung für die Auswirkungen von Klimawandel und Naturkatastrophen auf die Volkswirtschaften und damit für die zentrale Notwendigkeit einer gemeinsamen, globalen Klimaschutzpolitik vor dem Hintergrund der so unterschiedlichen nationalen Wahrnehmungen überhaupt gelingen können?

Was wir tun können..

Eindimensionale, monothematische und länderbegrenzte Streiks und Blockaden erscheinen uns nicht als das ideale Mittel dafür. Das, was auf den ersten Blick so „aktivistisch“ erscheint, ist auf den zweiten Blick recht unbeweglich. Hat zu viel Trotziges, zu viel „Entweder-oder“ und zu wenig „Und“.  Es führt zu sich verhärtenden Fronten und hemmt das übergreifende Miteinander. Genau dieses Miteinander aber ist notwendig! Es beginnt mit dem Umdenken und den Verhaltensänderungen bei jedem Einzelnen von uns. Denn in Volkswirtschaften bestimmt die Nachfrage das Angebot.

Auch mit unserer Wortwahl sollten wir achtsam umgehen: ein Klima kann man nicht bestreiken – man kann es positiv beeinflussen, um unsere Umwelt zu erhalten und zu schützen.

Und bitteschön nutzen wir unsere Möglichkeiten und Innovationen zum Umwelt- und Klimaschutz, in der Vielfalt, die uns zur Verfügung steht. Entwickeln wir doch gemeinsam positive Lösungsansätze, die uns in die Zukunft führen. Lassen wir das vorindustrielle Bild von Ackerbau und Handarbeit bei Kerzenschein dort, wo es seinen Platz hat: in der Vergangenheit. Sozialromantik wird uns nicht helfen. Wissenschaft, Investitionen und vor allem ein offener ideologiefreier Diskurs sehr wohl.

Zum Nachlesen hier die Originalquellen:

World Economic Forum (2019): Regional Risks for doing Business 2019. Abrufdatum 10.11. 2019 von: https://www.weforum.org/reports/regional-risks-for-doing-business-2019

Smith-Bingham, Richard (2019): This is what CEOs around the world see as the biggest risks to business. Artikel vom 1. Oktober 2019, World Economic Forum. Abrufdatum 10.11.2019 von https://www.weforum.org/agenda/2019/10/risks-to-doing-business-2019-developing-developed/

Mal wieder nichts gesagt! – Wie unethisches Führungsverhalten durchkommt.

Bei den jüngsten Wirtschafts-Skandalen, z.B. in der Banken- oder Auto-Industrie, war wieder von kriminellem Handeln, Täuschung und Betrug die Rede. Schnell hat man auch die Schuldigen identifiziert: Die Führungskräfte sind es gewesen. Sie seien es, die durch ihr Führungsverhalten versäumt hätten, gültige ethische Standards durchzusetzen und damit das verbrecherische Handeln quasi erst ermöglicht haben. Selbst wenn diese Schuldzuweisungen griffig sind und wir uns längst an die Vorstellung gewöhnt haben, dass es Führungskräfte gibt, die um des Erfolges willen ihren moralischen Kompass beiseite gelegt haben: Beim Thema des unethischen Handelns in Unternehmen geht es um mehr als das Versagen einzelner Manager.

Denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich schnell, dass Betrug, Vorteilsnahme, Tricksereien und andere unlautere Praktiken nur möglich sind, wenn sie auch von den internen Teams zugelassen oder sogar aktiv unterstützt werden.

Um ein vollständiges Bild des Entstehens solcher strafbaren Handlungen zu zeichnen, muss deshalb auch die Rolle der Mitarbeiter betrachtet werden. Die kritische Analyse des Handelns aller Beteiligten kann dann helfen, die Bedingungen für unethische Vorhaben zu erschweren oder zu verhindern.

Implizite Theorien schaffen explizite Erwartungen

In vielen Studien wurde bestätigt, dass die grundsätzliche Erwartung an ein gewisses Sozialverhalten von der Position und Rolle der handelnden Person beeinflusst wird. Von einem Manager in herausgehobener Position wird von seinem Umfeld ein anderes Verhalten erwartet als vom Mitarbeiter aus dem Lagerbereich. Wir scheinen also eine Reihe von stillschweigenden Annahmen zu treffen, wie sich jemand in der einen oder anderen Position benehmen sollte.

Die Mitarbeiterin aus der Buchhaltung bringt daher dem Geschäftsführer mehr Verständnis entgegen, wenn er sich nicht an ihren Namen erinnern kann, als dem Kollegen aus der Nachbar-Abteilung. Dem Geschäftsführer hält sie zugute, dass er „ja den Kopf sicher sehr voll hat…“ Dem Kollegen wird dagegen unterstellt: „der glaubt wohl, er sei was Besseres..:“.

Die Situation ist zwar die Gleiche, das Urteil der Mitarbeiterin fällt aber unterschiedlich streng aus.

Wissenschaftlich ist bestätigt, dass viele Unternehmen ein unausgesprochenes (implizites) gemeinsames Verständnis darüber haben, wie sich Führungskräfte und Mitarbeiter benehmen sollten. Im positiven Sinne hilft dieses gemeinsame Verständnis, die eigene Rolle mit den Kolleginnen und Kollegen besser abzustimmen und das eigene Verhalten an diesen Erwartungen auszurichten. Der wohlmeinende Hinweis an den neuen Kollegen: „Das machen wir hier so…“, hilft diesem also, sich in seine neue Position schneller einzugewöhnen.

Gutes Benehmen kann unethisches Verhalten fördern.

Wenn wir an die vielen großen und kleinen Wirtschaftsskandale der letzten Jahre denken, stellt sich immer wieder die gleichen Fragen: Wie konnte das so lange unbemerkt bleiben? Hat das denn niemand bemerkt? Die Antwort: Viele haben es geahnt, einige haben davon gewusst, alle haben geschwiegen.

Mehrere Studien haben untersucht, welche Umstände dazu beitragen, dass Mitarbeiter unethisches Verhalten ihrer Vorgesetzten decken: Einen förderlichen Einfluss haben danach Situationen, die für die Mitarbeiter unklar sind und teilweise widersprüchliche Anforderungen stellen. So zum Beispiel dann, wenn die Organisationsinteressen mit den Eigeninteressen der Mitarbeiter kollidieren und die Führungskraft in ihrem unkorrekten Verhalten darauf beruft, dadurch für die Firma einen Vorteil zu erreichen.

So würde ein bestechlicher Einkäufer vielleicht argumentieren: „Da muss man mal fünfe gerade sein lassen kann, wenn es um die Auftragsvergabe geht. Die guten Beziehungen bringen uns am Ende mehr Rabatt als die ganze Ausschreibung.“

Die Ergebnisse zeigen, dass Mitarbeiter, denen vorher unkorrektes Verhalten fern gelegen hat, sogar bereit sind, zum Mit-Täter zu werden, wenn die Begründung ausreichend plausibel und die Situation unübersichtlich ist. Sie sind dann häufig sogar davon überzeugt, das Richtige für ihr Unternehmen zu tun.

Wenn wir über unethisches Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften sprechen, meinen wir im Allgemeinen Verstöße gegen ethische Grundsätze und die Compliance-Regeln des Unternehmens. Neben diesen Vorgängen geht es aber darum, vorsätzlich Strukturen, Situationen und Prozesse zu schaffen, das unethische Handeln fördern oder erst ermöglichen.

Hier nutzt der Manager seine Rolle als Vorgesetzter aus. Die eigenen Mitarbeiter fühlen sich damit nicht persönlich verantwortlich. „Der Chef hat es angeordnet.“ Und diese Haltung kommt häufiger vor, als angenommen. Denken wir beispielsweise an unethisches Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich: Eine Führungskraft, die einzelne Mitarbeiter herabwürdigt, anschreit oder mobbt, kann dies nur dann tun, wenn ihr durch die anderen Mitarbeiter im Team kein Widerstand entgegengebracht wird. Die Duldung und das Stillschweigen der Kolleginnen und Kollegen wird von ihr ggf. sogar als Zustimmung gewertet.

Viele Mitarbeiter verhalten sich in solchen unangenehmen Situationen wie „Schaulustige“: Sie nehmen das Verhalten ihres Vorgesetzten zur Kenntnis, wollen sich aber nicht hineinziehen lassen. Andere Mitarbeiter glauben, wegen ihrer Rolle die Handlungen ihres Vorgesetzten grundsätzlich nicht in Frage stellen zu dürfen.

Beiden Verhaltenstypen ist gemeinsam, dass sie bereit sind, die (angeblichen oder tatsächlichen) Prioritäten der Organisation höher einstufen als die persönlichen ethischen Standards.

Sie lassen daher ihre Vorgesetzten gewähren, wenn sie annehmen, dass das versprochene positive Ergebnis aus ihrer Sicht die Nachteile am Ende deutlich überwiegen wird. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“

Trotz dieser naheliegenden Erkenntnisse fehlte es allerdings bisher an einem integrierten Erklärungsansatz für dieses Verhalten. Diese Lücke schließt eine neue Studie der Universitäten Halle und Chemnitz.

Studie der Universitäten Halle und Chemnitz bringt Licht ins Dunkel!

Die Studie untersuchte die Wirkungen, die die Unternehmenskultur in Form von impliziten Gepflogenheiten auf die Bereitschaft der Mitarbeiter ausübt, unethische Handlungen von Vorgesetzten zu tolerieren oder sich selbst an ihnen zu beteiligen. Sie bestand aus zwei Teilstudien.

Studie Nr. 1 umfasste 187 Testpersonen, die an einer so genannten Postkorb-Übung teilnahmen. Ihre zugewiesene Rolle war die einer Führungskraft auf mittlerer Management-Ebene einer Fast-Food-Firma. Vor dem Hintergrund weiterer Informationen über die Firmenstruktur und ihre Zuständigkeiten wurden sie im ersten Übungsabschnitt gebeten, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen, z.B. Gehaltsentscheidungen zu treffen, Trainingsprogramme zu organisieren und Urlaubsanträge zu prüfen.

Im zweiten Übungsabschnitt forderte der Geschäftsführer die Teilnehmer auf, Bewerbungen von acht Kandidaten zu bewerten, die sich für die Leitung des HR-Teams beworben hatten. Von den acht Kandidaten sollten drei für ein Vorstellungsgespräch ausgewählt werden. Vier Bewerber waren aus der Region. Vier andere waren ursprünglich als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, wie den Bewerbungen zu entnehmen war. Für die Auswahl sollten zwei Bewerbungskriterien verwendet werden:

  1. Die Kandidaten sollten Erfahrungen in der Lebensmittel-Branche oder Fast-Food-Industrie haben und
  2. Sie sollten Erfahrungen im Verkauf mitbringen.

Sowohl zwei deutsche Bewerber wie zwei Bewerber mit Migrationshintergrund erfüllten diese Kriterien. Alle anderen Kandidaten kamen für ein Bewerbungsgespräch nicht in Frage.

Die Testpersonen wurden nun zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt:

  1. In der Kontrollgruppe wurden sie aufgefordert, die besten Kandidaten für die Tätigkeit auszuwählen.
  2. In der anderen Gruppe machte der Geschäftsführer gegenüber den Testpersonen eine Bemerkung, die darauf abzielte, keine Migranten als Führungskräfte in der Firma zu beschäftigen. Das Statement lautete: „Beim Lesen der Bewerbungen habe ich bemerkt, dass es unter den Bewerbern auch einige Ausländer gibt. Bei der Personalauswahl sollten Sie im Hinterkopf behalten, dass die Mitarbeiter in der Firmenzentrale fast ausschließlich aus Deutschen bestehen. In der Vergangenheit hat die Homogenität unseres HR-Teams einen wesentlichen Beitrag zu unserem guten Teamwork und unserem Erfolg geleistet. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die neue Führungskraft für unser HR-Team ein Garant für die gute Chemie untereinander ist.“

Unschwer ist der diskriminierende Charakter des Statements zu erkennen. Befolgen die Testpersonen die Anweisung, verstoßen sie gegen ethische Prinzipien und unterstützen so das diskriminierende Verhalten. Sie stehen also in einer komplexen Entscheidungssituation. Anhand verschiedener Standard-Messverfahren wurde nun untersucht, wie sich die Testpersonen verhielten.

Eine zweite Studie mit ähnlichem Aufbau unterschied sich in zwei Bedingungen: In der einen Variante wurde die Aufforderung zur Diskriminierung ausländischer Bewerber ohne jede weitere Erklärung oder Rechtfertigung gegenüber den Teilnehmern geäußert. In der anderen Variante wurde sie damit begründet, es bringe für das Unternehmen insgesamt enorme Vorteile, wenn keine Ausländer beschäftigt würden.

Wie reagierten die Studien-Teilnehmer?

Die Beobachtungen ergaben, dass eine gute Begründung die Bereitschaft der Testpersonen deutlich erhöhte, der Aufforderung des Geschäftsführers zu folgen. Mehrere Faktoren trugen dazu bei:

  • Testpersonen, die an sich selbst den Anspruch hatten, „ordentliche Bürger“ zu sein, waren eher bereit als andere, die eigene Verantwortung an den Geschäftsführer abzugeben. Sie neigten messbar auch dazu, einem Vorgesetzten eine gewisse Überlegenheit zuzuschreiben.
  • Testpersonen mit einer ausgeprägten Neigung zu sozialer Konformität gaben auch an, gerne „vorgegebene Regeln zu befolgen“. Sie waren deutlich bereiter, auch unethische Anweisungen zu befolgen.

Sie zeigten dabei auch eine deutliche Tendenz dazu, die eigenen Handlungen so zu begründen, dass diese (zumindest in der eigenen Wahrnehmung) als weniger unethisch angesehen werden konnten.

  • Auch Testpersonen, die nur schwer mit Ungewissheit umgehen konnten und eine Neigung zu rigidem „Schwarz-Weiss-Denken“ zeigten, waren deutlich bereiter, die Anweisung des Geschäftsführers umzusetzen.

Zusammengefasst:

Die Studien zeigen, dass bestimmte Umstände die Bereitschaft von Mitarbeitern erhöhen, unethisches Verhalten von Vorgesetzten hinzunehmen oder aktiv zu unterstützen. Mehrdeutige oder unklare berufliche Situationen fördern dieses Verhalten. Für das eigene Führungsverhalten ist daher wichtig: Sobald Situationen aus Sicht der Mitarbeiter ungeklärt, widersprüchlich oder verwirrend sind, steigt die Gefahr, auch unethisches Handeln zu dulden. Befindet sich also Ihr Unternehmen oder Ihr Bereich in einer Phase größerer Veränderungen, ist die Schaffung von Transparenz und Klarheit in der Kommunikation von größter Bedeutung. Sie können dadurch nicht nur verhindern, dass Ihre Mitarbeiter in Loyalitätskonflikte geraten, sondern auch dazu beitragen, dass die grundlegenden Pfeiler Ihrer Unternehmenskultur nicht in Frage gestellt werden oder in Vergessenheit geraten.

Die Förderung der internen Aufmerksamkeit ist für Sie die beste Versicherung gegen den nächsten Skandal in der Presse.

Referenz zum Nachlesen: Knoll, M., Schyns, B. u. Petersen, L. E. (2017): How the influence of unethical Leaders on Followers is affected by their implicit followership theories.  Oxford Review, Journal of Leadership & Organisational Studies Nr. 1548051817705296.