Leadership-Kompetenzen im 21. Jahrhundert: Was ist Millennials besonders wichtig?

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Eine neue Studie aus dem Jahr 2022 hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Leadership-Kompetenzen für Millennials als junge Führungskräfte und für erfahrene HR Manager besonders wichtig sind, wenn es um die Bewältigung der Zukunft geht. Die Antworten sind überraschend.

Die Studie von G.M.N. Fotso beschäftigte sich mit der Frage, ob es zwischen Millennials als Führungskräften und HR Managern Unterschiede in der Bewertung der benötigten Führungsqualitäten gibt, was die Anforderungen an Führung im 21. Jahrhundert angeht. Unter dem Titel „Differences between Senior Human Resource Managers and Young Millennials Leaders on the perceived required Leadership Competencies for the 21st. century“ zeigt die Untersuchung:

  • Erfahrene HR Manager und junge Führungskräfte stimmen in den meisten Punkten darin überein, welche Führungskompetenzen für die Zukunft besonders wichtig sind.
  • Die in vielen Studien getroffenen Vorhersagen, dass sich die Bewertungen zwischen Millennials und älteren HR Managern stark unterscheiden würden, konnte nicht bestätigt werden.
  • Es lassen sich weder eine spezifische „Millennial Führungskultur“ noch besondere andere generationsabhängige Führungsstile identifizieren.
  • Tatsächlich üben soziale Veränderungen und Gegebenheiten in unserer gegenwärtigen Gesellschaft mehr Einfluss auf die Einstellung der Millennials gegenüber Führung aus als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Alterskohorte.
  • Unterschiede in den Einstellungen zwischen Millennials und älteren HR Managern beruhen hauptsächlich darauf, wieviel praktische Berufserfahrung die Befragten haben oder wie sehr sie in eine Organisation eingebunden sind.
  • Junge „Millennial“-Führungskräfte haben die Neigung, in ihrer Bewertung etwas idealistischer zu sein als ältere Manager.
  • In der öffentlichen Diskussion werden bestimmte Begriffe oder Notwendigkeiten immer wieder intensiv diskutiert und als besonders wichtig dargestellt.
  • Bemerkenswert finde ich, dass weder die jüngeren Führungskräfte noch die erfahrenen Manager die folgenden Themen für wichtig halten, wenn es um Führungsqualität geht:
    • Nachhaltige Geschäftsmodelle, häufig auch die 3. Ergebnissäule genannt
    • kommerzielle / unternehmerische Ausrichtung
    • Kenntnisse um durch die digitale Transformation zu führen
    • Kundenzentrierung als Führungskompetenz

Die Studie belegt, dass die veröffentlichte Meinung auch bei Führungsfragen in der öffentlichen Diskussion von Themen dominiert werden kann, für die sich Führungskräfte im Alltag tatsächlich wenig interessieren. Die Praxis zeigt, dass Führung trotz aller Buzzwords weniger gewissen Modetrends unterworfen ist als gedacht.

Auch deshalb bin ich davon überzeugt, dass einfach anwendbare und leicht nachvollziehbare Führungsprinzipien wie unsere „5 Elemente erfolgreicher Führung“ in ihrer Bedeutung für das tägliche Führungshandeln immer wichtiger werden.

Mehr darüber und über unsere Leistungen in den Bereichen PE-Konzepte, Führungskräfte-Entwicklung und zielorientierte Personal-Diagnostik erläutere ich gerne in einem persönlichen Kennenlern-Gespräch.


Quelle:

Fotso, G.M.N. (2022): Differences Between Senior Human Resources Managers and Young Millennials Leaders on the Perceived Required Leadership Competencies for the 21st. Century, erschienen in: Journal of Human Resource Management 10(1), S. 5-13 bei Oxcognita LLC & Oxford Review Enterprises Ltd.

Der Feind in meinem Kopf: Selbstzweifel

Jeder Mensch – ja, auch Sie – hat Schwächen, die immer wieder schmerzen. Diese wunden Punkte sind mit Erfahrungen verbunden, die so unangenehm für uns gewesen sind, dass wir sie verdrängt haben.

In den nächsten Beiträgen will ich diese Schwächen etwas genauer beleuchten, weil sie mir in meinen Coachings immer wieder begegnen. In den allermeisten Fällen handelt es sich um eines der folgenden Themen, die im Alltag zu Problemen führen. Ich nennen sie die „5 Feinde in meinem Kopf“.


5 Feinde in meinem kopf

  1. Die Sucht nach Zustimmung
  2. Mangelndes Selbstvertrauen
  3. Impulsivität und Über-Emotionalität
  4. Kontrollzwang
  5. Übersteigertes Selbstbewusstsein und Scheinsicherheit

Sucht nach Zustimmung: Der Fall „Claudia“

Da saß mir eine erfolgreiche Managerin gegenüber, die immer ihr Bestes gegeben hatte. Spitzen-Abitur, Prädikatsexamen, Auslandsaufenthalte, Mehrsprachigkeit, gebildet, intelligent und schlagfertig, attraktiv und mit eigenem Stil: Eine Person, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn sie einen Raum betritt.

Vor mir saß aber auch eine getriebene Person, die unter Schlaflosigkeit litt, große Bindungs- und Beziehungsprobleme hatte, zutiefst erschöpft war, sich überfordert fühlte und hinter jeder Ecke einen Feind vermutete. Das konnte – wie sie mir erzählte – schon mal zu emotionalen Auseinandersetzungen im Team und zu Wutausbrüchen führen.

Auch deshalb hatten in den vergangenen Monaten einige wichtige Player ihr Team verlassen. Das ehemalige Spitzen-Team war Vergangenheit, der Druck von außen wurde immer größer.

Auffällig war, dass meine Klientin in der Schilderung ihrer Situation das Private sehr stark von der „geschäftlichen Person“ abgrenzte. Ihr persönliches Gefühl der Erschöpfung und die schwierige Situation im Team spielten sich für sie auf zwei vollkommen unabhängigen Ebenen ab.

Sie wisse ja, dass sie sich für Privates aufgrund ihres großen Engagements zu wenig Zeit genommen habe. In der Vergangenheit habe sie Beziehungen mit Partnern gehabt, die selbst äusserst erfolgreich gewesen waren. Da leide das Privatleben unter überfüllten Kalendern und manchmal auch unter gegenseitigem Wettbewerb. Ein wenig Ruhe werde sicher helfen, auch ihre Müdigkeit in den Griff zu bekommen.

Im Team ginge es ihrer Ansicht nach um etwas anderes: Die Leistung des Teams sei durch die Karriere-Entscheidung einiger guter Mitarbeiter nach unten gegangen. Sie müsse daher nun – zusätzlich zu ihren eigenen Themen – viel mehr selber machen. Sie tue zwar alles, um ihre Mitarbeiter zu entlasten, die Motivation sei aber trotzdem in den vergangenen Wochen massiv eingebrochen. Regelmässig liesse sie Stimmungsbilder machen und würde immer das Team einbinden, bevor sie wichtige Entscheidungen treffe. Mittlerweile sei sie aber ratlos, was sie noch tun könne.

Die Gesamtschau führt zur Lösung

Jeder Mensch hat ein Repertoire an Dingen, die eher leichtfallen und anderen, die eher schwerfallen. Unsere individuellen Stärken, Neigungen und Schwächen beeinflussen unser Verhalten in jeder Situation. Wir vermeiden oder schieben vor uns her, was uns eher schwerfällt und erledigen sofort, was uns leicht fällt.

Unsere Arbeitskultur hat uns beigebracht, unser Leben zweigeteilt zu führen: Da gibt es das Private mit Freunden, Familie und Hobby und draussen vor der Tür findet das Berufliche statt. Wie oft habe ich schon den Satz gehört: „Privat bin ich aber ganz anders!“

Auch wenn die letzten Monate dafür gesorgt haben, dass sich die Grenze zwischen Beruf und Privat etwas verwischt hat: in unseren Köpfen ist sie noch da. In vielen Fällen ist es aber erforderlich, wieder ein ganzheitliches Verständnis für sich selbst zu entwickeln, wenn wir unseren Problemen auf die Spur kommen wollen.

Noch vor 150 Jahren gab es die Trennung zwischen Beruf und Privatleben nicht. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebte dort, wo die Arbeit war und arbeitete dort, wo man lebte. Erst die industrielle Revolution sorgte dafür, dass es so etwas gab wie feste Arbeitszeiten und Arbeitsorte, zu denen man morgens aufbrach und von denen man abends heimkehrte. Auf dem Bauernhof im Sauerland oder in der Wassermühle im Wald war das nicht erforderlich. Der Tag begann mit dem Sonnenaufgang und endete mit Einbruch der Dunkelheit. Gearbeitet wurde im eigenen Tempo, so wie die eigenen Kraft es zuliess. Mittagspause von 12:00 – 12:30 Uhr? Unbekannt. Gegessen wurde, wenn der Hunger kam und die Kraft nachliess.

Auch wir müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass wir EIN Leben führen und nicht zwei, die quasi parallel nebeneinander verlaufen. Das Private prägt uns in der Arbeit und umgekehrt.

Bei meiner Klientin „Claudia“ stellte sich heraus, dass es ihre Prägung in der Erziehung war, die ihr zur Falle wurde. Sie fühlte sich häufig unverstanden und hatte das Gefühl, dass niemand ihre wahren Qualitäten erkennen würde. Ihren Beziehungen endeten meistens, weil ihr Partner sie verlassen hatte, sei es aus beruflichen Gründen oder für eine andere Person. Woran sie verzweifelte war das Gefühl, was sie auch tue, es sei immer zu wenig. Es gab immer eine Stimme, die flüsterte: „Das reicht nicht. Du enttäuscht mich.“

Die Sucht nach Zustimmung

„Claudia“ war in einem Umfeld aufgewachsen, in dem sie von Aussagen begleitet worden war wie: „Was sollen die Leute von Dir denken?“, „Da hätte ich von Dir nicht gedacht.“ oder „Damit kannst Du die Mama nicht auch noch belasten.“

Menschen mit diesen Erfahrungen haben in ihrer Jugend gelernt, dass sie nur dann ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sind, wenn sie von anderen gemocht werden und wenn sie versuchen, es allen recht zu machen. Beliebtheit und Anpassung sind die Dinge die zählen.

Die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen sind dadurch selbstverständlich weniger wichtig als die Stimmungen der Menschen im direkten Umfeld. „Um des lieben Friedens willen“ werden Ideen und Vorstellungen nicht weiter verfolgt, wenn sie zu Konflikten führen könnten. Diese Menschen sind immer freundlich und hilfsbereit. Sie beklagen sich nie und nehmen es auch nicht krumm, wenn sie nachts um 3:00 Uhr angerufen werden, um sich den Liebeskummer der Freundin anzuhören oder den Kumpel aus der Kneipe abzuholen. Auf sie ist Verlass. Immer.

Ihr tiefes Bedürfnis nach Zuneigung lässt sie alles dafür tun, ein Bild des Erfolgs und der Unabhängigkeit zu präsentieren. Um sie muß man sich keine Sorgen machen. Die Frisur sitzt perfekt, die Kleidung ist geschmackvoll und zurückhaltend, die Fassade ist perfekt. Alles supie!

Im Alltag versuchte meine Klientin daher immer, genau abzuschätzen, welche Folgen ihre Entscheidung haben werde. Wer konnte davon negativ betroffen sein? Wo wären Konflikte denkbar? Würde sie die Erwartungen erfüllen? Und was wäre wenn……

Wir alle wissen: Es ist nicht möglich, alle Folgen einer einzigen Handlung im Voraus abzusehen. Trotzdem investierte sie Stunden um Stunden in die Entscheidungsfindung. Sie sprach mit diesem und jenem, fragte nach Meinungen und Eindrücken, diskutierte Alternativen im Team und verzögerte die Entscheidung so lange, bis sie das Gefühl hatte: diese Lösung ist perfekt und alle sind einverstanden.

Trotz dieser Vorgehensweise entwickelte sie aber für sich kein Gefühl der inneren Sicherheit, denn etwas Wichtiges fehlte: Sie hatte keine eigene Überzeugung, die ihr sagte, was „richtig“ sei.

Nur wenn wir in der Lage sind, für uns selbst ein unabhängiges Urteil zu fällen, können wir eine Entscheidung treffen und sie dann auch durchsetzen. Auch wenn es schwerfällt: irgendwann müssen wir einem Standpunkt den Vorzug geben und das Risiko eingehen, eventuell einen Fehler zu machen.

Für ihr Team war die Zusammenarbeit daher zunehmend schwierig. Wenn Entscheidungen getroffen wurden, war keine einheitliche Linie zu erkennen. Je nach Stimmung wiesen sie in die eine oder andere Richtung. Eine Orientierung für das Team fehlte, die endlosen Diskussionen im Team und das nachträgliche Anzweifeln bereits getroffener Entscheidungen wirkten lähmend. Nichts ging voran.

Deshalb gingen die stärkeren Charaktere im Team dazu über, „Claudia“ unter Druck zu setzen und Entscheidungen zu erzwingen. Wenn dies nicht gelang schafften sie selber Tatsachen. Das sorgte im Team für zusätzliche Konflikte. Der Vorwurf der Entscheidungsschwäche, der im Raum stand, verunsicherte meine Klientin noch stärker. Sie reagierte darauf, wie bei einem Liebesentzug, mit sehr emotionalen Ausbrüchen.

Meine Handlungsempfehlung

Zunächst war es ein Aha-Erlebnis für meine Klientin, die private und berufliche Situation im Zusammenhang zu sehen. Wir konzentrierten uns zunächst darauf, die Symptome genau zu betrachten: die persönlichen Beziehungsprobleme, die negative Stimmung im Team, die emotionalen Streitereien, das permanente Gefühl der Überforderung, die Müdigkeit, der überfüllte Kalender etc.

Dabei waren wir sehr darum bemüht, nicht zu (be)werten, sondern die Puzzle-Stücke nebeneinander zu legen und nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Durch die Einbeziehung ihrer persönlichen Geschichte wurden dann Schritt für Schritt Zusammenhänge erkennbar. Der größte Antreiber, auch die größte Angst, war es, nicht zu genügen. Die größte Überzeugung war daher: Ich bin nur wert, geliebt zu werden, wenn ich es allen recht mache. Die größte Hürde: Nur wenn ich keine Fehler mache und niemandem vor den Kopf stoße bin ich erfolgreich. Meine eigenen Bedürfnisse spielen keine Rolle.

Diese Denkmuster sorgten dafür, dass meine Klientin sich in einer permanenten Überforderungssituation befand. Ihre gesamte Energie verwendete sie darauf, ein perfektes Bild abzugeben und das zu sein, was die Welt in ihr sehen sollte: die perfekte Managerin, jung, ehrgeizig, charmant und erfolgreich.

Aber mit der Überforderung kamen auch die Selbstzweifel. Je mehr sie spürte, wieviel Kraft es sie kostete dieses Bild aufrecht zu erhalten, umso größer wurden die Ängste: Würde sie genügen können? Oder hatte sie bisher nur Glück gehabt?

Unsere weitere Vorgehensweise war daher:

  • Wir entwickelten eine Liste ihrer bisherigen Erfolge, wobei wir den Begriff „Erfolg“ nicht auf Berufliches beschränkten. Alles, was für „Claudia“ ein Erfolg gewesen war kam auf die Liste, angefangen beim Schulabschluss über den Führerschein, das erste eigene Apartment, der erste Job usw. usw. Es wurde eine sehr lange Liste.
  • Im nächsten Schritt entwickelten wir gemeinsam die jeweils besten und schlimmsten Szenarien, die sie sich vorstellen konnte. Im Kern standen die Fragen: „Wird es mich umbringen, wenn das und das passiert?“ und „Werde ich erst glücklich sein können, wenn das und das eintritt?“
  • Drittens analysierten wir gemeinsam, welche Werte für sie die größte Bedeutung hatten. Was war ihr wirklich wichtig? Welche fünf Werte sollten zukünftig als eiserne Grundlage dienen, wenn sie Entscheidungen treffen musste?
  • Ich empfahl ihr, immer dann wenn sie spürte, dass sich die Selbstzweifel meldeten und sie das Gefühl bekam, nicht gemocht zu werden, die Liste ihrer bisherigen Erfolge durchzugehen, zu aktualisieren und zu ergänzen.
  • Als Teil ihres Morgenrituals entwickelten wir ein Mantra, das ihr helfen sollte, ihre persönlichen 5 eisernen Werte zu verinnerlichen und ihre innere Stimme zu stärken.

Am Spiegel im Flur befestigte meine Klientin einen Zettel, auf dem Folgendes stand:

Dass Du heute hier stehst ist kein Zufall! Du stehst hier, weil Du es Dir verdient hast.

Mal wieder nichts gesagt! – Wie unethisches Führungsverhalten durchkommt.

Bei den jüngsten Wirtschafts-Skandalen, z.B. in der Banken- oder Auto-Industrie, war wieder von kriminellem Handeln, Täuschung und Betrug die Rede. Schnell hat man auch die Schuldigen identifiziert: Die Führungskräfte sind es gewesen. Sie seien es, die durch ihr Führungsverhalten versäumt hätten, gültige ethische Standards durchzusetzen und damit das verbrecherische Handeln quasi erst ermöglicht haben. Selbst wenn diese Schuldzuweisungen griffig sind und wir uns längst an die Vorstellung gewöhnt haben, dass es Führungskräfte gibt, die um des Erfolges willen ihren moralischen Kompass beiseite gelegt haben: Beim Thema des unethischen Handelns in Unternehmen geht es um mehr als das Versagen einzelner Manager.

Denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich schnell, dass Betrug, Vorteilsnahme, Tricksereien und andere unlautere Praktiken nur möglich sind, wenn sie auch von den internen Teams zugelassen oder sogar aktiv unterstützt werden.

Um ein vollständiges Bild des Entstehens solcher strafbaren Handlungen zu zeichnen, muss deshalb auch die Rolle der Mitarbeiter betrachtet werden. Die kritische Analyse des Handelns aller Beteiligten kann dann helfen, die Bedingungen für unethische Vorhaben zu erschweren oder zu verhindern.

Implizite Theorien schaffen explizite Erwartungen

In vielen Studien wurde bestätigt, dass die grundsätzliche Erwartung an ein gewisses Sozialverhalten von der Position und Rolle der handelnden Person beeinflusst wird. Von einem Manager in herausgehobener Position wird von seinem Umfeld ein anderes Verhalten erwartet als vom Mitarbeiter aus dem Lagerbereich. Wir scheinen also eine Reihe von stillschweigenden Annahmen zu treffen, wie sich jemand in der einen oder anderen Position benehmen sollte.

Die Mitarbeiterin aus der Buchhaltung bringt daher dem Geschäftsführer mehr Verständnis entgegen, wenn er sich nicht an ihren Namen erinnern kann, als dem Kollegen aus der Nachbar-Abteilung. Dem Geschäftsführer hält sie zugute, dass er „ja den Kopf sicher sehr voll hat…“ Dem Kollegen wird dagegen unterstellt: „der glaubt wohl, er sei was Besseres..:“.

Die Situation ist zwar die Gleiche, das Urteil der Mitarbeiterin fällt aber unterschiedlich streng aus.

Wissenschaftlich ist bestätigt, dass viele Unternehmen ein unausgesprochenes (implizites) gemeinsames Verständnis darüber haben, wie sich Führungskräfte und Mitarbeiter benehmen sollten. Im positiven Sinne hilft dieses gemeinsame Verständnis, die eigene Rolle mit den Kolleginnen und Kollegen besser abzustimmen und das eigene Verhalten an diesen Erwartungen auszurichten. Der wohlmeinende Hinweis an den neuen Kollegen: „Das machen wir hier so…“, hilft diesem also, sich in seine neue Position schneller einzugewöhnen.

Gutes Benehmen kann unethisches Verhalten fördern.

Wenn wir an die vielen großen und kleinen Wirtschaftsskandale der letzten Jahre denken, stellt sich immer wieder die gleichen Fragen: Wie konnte das so lange unbemerkt bleiben? Hat das denn niemand bemerkt? Die Antwort: Viele haben es geahnt, einige haben davon gewusst, alle haben geschwiegen.

Mehrere Studien haben untersucht, welche Umstände dazu beitragen, dass Mitarbeiter unethisches Verhalten ihrer Vorgesetzten decken: Einen förderlichen Einfluss haben danach Situationen, die für die Mitarbeiter unklar sind und teilweise widersprüchliche Anforderungen stellen. So zum Beispiel dann, wenn die Organisationsinteressen mit den Eigeninteressen der Mitarbeiter kollidieren und die Führungskraft in ihrem unkorrekten Verhalten darauf beruft, dadurch für die Firma einen Vorteil zu erreichen.

So würde ein bestechlicher Einkäufer vielleicht argumentieren: „Da muss man mal fünfe gerade sein lassen kann, wenn es um die Auftragsvergabe geht. Die guten Beziehungen bringen uns am Ende mehr Rabatt als die ganze Ausschreibung.“

Die Ergebnisse zeigen, dass Mitarbeiter, denen vorher unkorrektes Verhalten fern gelegen hat, sogar bereit sind, zum Mit-Täter zu werden, wenn die Begründung ausreichend plausibel und die Situation unübersichtlich ist. Sie sind dann häufig sogar davon überzeugt, das Richtige für ihr Unternehmen zu tun.

Wenn wir über unethisches Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften sprechen, meinen wir im Allgemeinen Verstöße gegen ethische Grundsätze und die Compliance-Regeln des Unternehmens. Neben diesen Vorgängen geht es aber darum, vorsätzlich Strukturen, Situationen und Prozesse zu schaffen, das unethische Handeln fördern oder erst ermöglichen.

Hier nutzt der Manager seine Rolle als Vorgesetzter aus. Die eigenen Mitarbeiter fühlen sich damit nicht persönlich verantwortlich. „Der Chef hat es angeordnet.“ Und diese Haltung kommt häufiger vor, als angenommen. Denken wir beispielsweise an unethisches Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich: Eine Führungskraft, die einzelne Mitarbeiter herabwürdigt, anschreit oder mobbt, kann dies nur dann tun, wenn ihr durch die anderen Mitarbeiter im Team kein Widerstand entgegengebracht wird. Die Duldung und das Stillschweigen der Kolleginnen und Kollegen wird von ihr ggf. sogar als Zustimmung gewertet.

Viele Mitarbeiter verhalten sich in solchen unangenehmen Situationen wie „Schaulustige“: Sie nehmen das Verhalten ihres Vorgesetzten zur Kenntnis, wollen sich aber nicht hineinziehen lassen. Andere Mitarbeiter glauben, wegen ihrer Rolle die Handlungen ihres Vorgesetzten grundsätzlich nicht in Frage stellen zu dürfen.

Beiden Verhaltenstypen ist gemeinsam, dass sie bereit sind, die (angeblichen oder tatsächlichen) Prioritäten der Organisation höher einstufen als die persönlichen ethischen Standards.

Sie lassen daher ihre Vorgesetzten gewähren, wenn sie annehmen, dass das versprochene positive Ergebnis aus ihrer Sicht die Nachteile am Ende deutlich überwiegen wird. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“

Trotz dieser naheliegenden Erkenntnisse fehlte es allerdings bisher an einem integrierten Erklärungsansatz für dieses Verhalten. Diese Lücke schließt eine neue Studie der Universitäten Halle und Chemnitz.

Studie der Universitäten Halle und Chemnitz bringt Licht ins Dunkel!

Die Studie untersuchte die Wirkungen, die die Unternehmenskultur in Form von impliziten Gepflogenheiten auf die Bereitschaft der Mitarbeiter ausübt, unethische Handlungen von Vorgesetzten zu tolerieren oder sich selbst an ihnen zu beteiligen. Sie bestand aus zwei Teilstudien.

Studie Nr. 1 umfasste 187 Testpersonen, die an einer so genannten Postkorb-Übung teilnahmen. Ihre zugewiesene Rolle war die einer Führungskraft auf mittlerer Management-Ebene einer Fast-Food-Firma. Vor dem Hintergrund weiterer Informationen über die Firmenstruktur und ihre Zuständigkeiten wurden sie im ersten Übungsabschnitt gebeten, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen, z.B. Gehaltsentscheidungen zu treffen, Trainingsprogramme zu organisieren und Urlaubsanträge zu prüfen.

Im zweiten Übungsabschnitt forderte der Geschäftsführer die Teilnehmer auf, Bewerbungen von acht Kandidaten zu bewerten, die sich für die Leitung des HR-Teams beworben hatten. Von den acht Kandidaten sollten drei für ein Vorstellungsgespräch ausgewählt werden. Vier Bewerber waren aus der Region. Vier andere waren ursprünglich als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, wie den Bewerbungen zu entnehmen war. Für die Auswahl sollten zwei Bewerbungskriterien verwendet werden:

  1. Die Kandidaten sollten Erfahrungen in der Lebensmittel-Branche oder Fast-Food-Industrie haben und
  2. Sie sollten Erfahrungen im Verkauf mitbringen.

Sowohl zwei deutsche Bewerber wie zwei Bewerber mit Migrationshintergrund erfüllten diese Kriterien. Alle anderen Kandidaten kamen für ein Bewerbungsgespräch nicht in Frage.

Die Testpersonen wurden nun zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt:

  1. In der Kontrollgruppe wurden sie aufgefordert, die besten Kandidaten für die Tätigkeit auszuwählen.
  2. In der anderen Gruppe machte der Geschäftsführer gegenüber den Testpersonen eine Bemerkung, die darauf abzielte, keine Migranten als Führungskräfte in der Firma zu beschäftigen. Das Statement lautete: „Beim Lesen der Bewerbungen habe ich bemerkt, dass es unter den Bewerbern auch einige Ausländer gibt. Bei der Personalauswahl sollten Sie im Hinterkopf behalten, dass die Mitarbeiter in der Firmenzentrale fast ausschließlich aus Deutschen bestehen. In der Vergangenheit hat die Homogenität unseres HR-Teams einen wesentlichen Beitrag zu unserem guten Teamwork und unserem Erfolg geleistet. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die neue Führungskraft für unser HR-Team ein Garant für die gute Chemie untereinander ist.“

Unschwer ist der diskriminierende Charakter des Statements zu erkennen. Befolgen die Testpersonen die Anweisung, verstoßen sie gegen ethische Prinzipien und unterstützen so das diskriminierende Verhalten. Sie stehen also in einer komplexen Entscheidungssituation. Anhand verschiedener Standard-Messverfahren wurde nun untersucht, wie sich die Testpersonen verhielten.

Eine zweite Studie mit ähnlichem Aufbau unterschied sich in zwei Bedingungen: In der einen Variante wurde die Aufforderung zur Diskriminierung ausländischer Bewerber ohne jede weitere Erklärung oder Rechtfertigung gegenüber den Teilnehmern geäußert. In der anderen Variante wurde sie damit begründet, es bringe für das Unternehmen insgesamt enorme Vorteile, wenn keine Ausländer beschäftigt würden.

Wie reagierten die Studien-Teilnehmer?

Die Beobachtungen ergaben, dass eine gute Begründung die Bereitschaft der Testpersonen deutlich erhöhte, der Aufforderung des Geschäftsführers zu folgen. Mehrere Faktoren trugen dazu bei:

  • Testpersonen, die an sich selbst den Anspruch hatten, „ordentliche Bürger“ zu sein, waren eher bereit als andere, die eigene Verantwortung an den Geschäftsführer abzugeben. Sie neigten messbar auch dazu, einem Vorgesetzten eine gewisse Überlegenheit zuzuschreiben.
  • Testpersonen mit einer ausgeprägten Neigung zu sozialer Konformität gaben auch an, gerne „vorgegebene Regeln zu befolgen“. Sie waren deutlich bereiter, auch unethische Anweisungen zu befolgen.

Sie zeigten dabei auch eine deutliche Tendenz dazu, die eigenen Handlungen so zu begründen, dass diese (zumindest in der eigenen Wahrnehmung) als weniger unethisch angesehen werden konnten.

  • Auch Testpersonen, die nur schwer mit Ungewissheit umgehen konnten und eine Neigung zu rigidem „Schwarz-Weiss-Denken“ zeigten, waren deutlich bereiter, die Anweisung des Geschäftsführers umzusetzen.

Zusammengefasst:

Die Studien zeigen, dass bestimmte Umstände die Bereitschaft von Mitarbeitern erhöhen, unethisches Verhalten von Vorgesetzten hinzunehmen oder aktiv zu unterstützen. Mehrdeutige oder unklare berufliche Situationen fördern dieses Verhalten. Für das eigene Führungsverhalten ist daher wichtig: Sobald Situationen aus Sicht der Mitarbeiter ungeklärt, widersprüchlich oder verwirrend sind, steigt die Gefahr, auch unethisches Handeln zu dulden. Befindet sich also Ihr Unternehmen oder Ihr Bereich in einer Phase größerer Veränderungen, ist die Schaffung von Transparenz und Klarheit in der Kommunikation von größter Bedeutung. Sie können dadurch nicht nur verhindern, dass Ihre Mitarbeiter in Loyalitätskonflikte geraten, sondern auch dazu beitragen, dass die grundlegenden Pfeiler Ihrer Unternehmenskultur nicht in Frage gestellt werden oder in Vergessenheit geraten.

Die Förderung der internen Aufmerksamkeit ist für Sie die beste Versicherung gegen den nächsten Skandal in der Presse.

Referenz zum Nachlesen: Knoll, M., Schyns, B. u. Petersen, L. E. (2017): How the influence of unethical Leaders on Followers is affected by their implicit followership theories.  Oxford Review, Journal of Leadership & Organisational Studies Nr. 1548051817705296.

Sind Sie schon IKIGAI?

Warum stehen wir morgens auf und verlassen unser Bett? Sich diese Frage an einem Montagmorgen zu stellen, kann einen dazu verleiten, sich direkt wieder hinzulegen. Wenn es Ihnen genauso geht, könnte das japanische Konzept des IKIGAI Ihnen vielleicht helfen.

Japan verfügt heute über den größten Anteil hochaltriger Menschen an der Gesamtbevölkerung weltweit. Nirgendwo sonst werden die Menschen so alt wie in Japan. Es wäre also möglich, dass die Japaner einen Weg gefunden haben, um länger und besser zu leben.

Für das Wort IKIGAI gibt es keine direkte Übersetzung. Man nimmt an, dass die beiden Worte „IKIRU“ für „Leben“ und „KAI“ in der Bedeutung von „die Umsetzung dessen, worauf eine Person hofft“ zu dem Wort „IKIGAI“ kombiniert worden sind. Sie bilden die Bestandteile eines Konzeptes, das sich mit der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens beschäftigt.

IKIGAI verweist auch auf historische Bezüge: „GAI“ leitet sich aus dem Wort „KAI“ ab und bedeutet „Schale“ oder „Muschel“. Insbesondere während der Heian-Periode in der Zeit zwischen 794 und 1185 n. Chr. besaßen bestimmte Schalen einen besonders hohen Wert, wie Akihiro Hasegawa, klinischer Psychologe und Professer an der Toyo Eiwa Universität, erläutert hat. Das Symbol der Schale gab einen Hinweis auf die Bedeutung des eigenen Lebens und wies darauf hin, sorgsam darauf zu achten, womit wir die Schale unseres eigenen Lebens füllen.

Um der Antwort auf die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens etwas näher zu kommen, empfehle ich, mit vier einfachen Fragen zu beginnen:
1. Was lieben Sie besonders?
2. Worin sind Sie besonders gut?
3. Was braucht die Welt von Ihnen am meisten?
4. Wofür werden Sie bezahlt?

Die vier Fragen decken vier unterschiedliche Bereiche Ihres Lebens ab. Während es sich bei Frage 1 vorwiegend um Ihre persönlichen Vorlieben und Neigungen dreht, befasst sich Frage 2 mit Ihren Stärken und Fähigkeiten. Frage 3 richtet dann die Aufmerksamkeit darauf, was Sie der Welt anbieten können, also wie Sie die Welt durch Ihren persönlichen Beitrag vielleicht ein wenig besser machen können. Hier geht es nicht nur um die Innensicht, sondern auch um die Außensicht: Wie werden Sie heute wahrgenommen und wie wollen Sie zukünftig wahrgenommen werden? Mit Frage 4 wenden Sie sich dann ein wenig dem Soll-Ist-Vergleich zu. Ist das, wofür Sie heute bezahlt werden, etwas, mit dem Sie sich auch morgen noch identifizieren wollen oder haben die Antworten auf die Fragen 1-3 gezeigt, dass Ihr Weg Sie ggf. anderswo hinführt?

Die Suche nach den Antworten und das Streben nach einer Balance zwischen den vier Lebensbereichen kann ein Weg – insbesondere für chronisch ungeduldige Europäer – sein, um sich dem IKIGAI-Prinzip zu nähern. In Japan selbst wird es allerdings nicht nur auf die Arbeit und das eigene Fortkommen bezogen, sondern als umfassenderes Konzept verstanden.

 

Gordon Matthews, der Professor für Anthropologie an der Universität von Hong Kong und Autor des Buches „What makes life worth living? How Japanese and Americans make sense of their worlds“, erklärte in einem Interview mit „The Telegraph“, dass die Art, wie Menschen das Prinzip des „IKIGAI“ verstehen, oft auf zwei andere japanische Ideen zurückgeführt werden kann, die als „ITTAIKAN“ und als „JIKO JITSUGEN“ bezeichnet werden.

Die Idee des „ITTAIKAN“ bezieht sich auf ein „Gefühl der Einheit mit einer Gruppe bzw. der Verpflichtung einer Gruppe gegenüber“. Dazu im Unterschied bezieht sich die Idee des „JIKO JITSUGEN“ mehr auf die eigene Selbstverwirklichung. Der Umgang mit diesem Spannungsfeld verlangt nach Antworten.

Gordon Matthews betonte im Interview, dass „IKIGAI“ tatsächlich zu einem besseren Leben führen kann, weil man das Gefühl entwickelt, dass das eigene Leben einen Sinn hat und man weiß, wofür man lebt. Er warnt allerdings davor, „IKIGAI“ lediglich als „Lifestyle“-Entscheidung anzusehen: IKIGAI ist in Japan nicht etwas besonders Bedeutendes oder Außergewöhnliches. IKIGAI ist eigentlich eine sehr schlichte, bodenständige Idee, die häufig mit Okinawa in Zusammenhang gebracht wird.
Die Insel Okinawa liegt recht abgeschieden im Südwesten von Japan und besitzt einen ungewöhnlich großen Anteil von Menschen, die 100 Jahre oder älter sind. Sie werden häufig im Zusammenhang mit Untersuchungen zum IKIGAI-Prinzip als Beispiele angeführt.

Dan Buettner ist Experte für so genannte „Blaue Zonen“, also Gebiete der Welt, in denen die Menschen am längsten leben. In seinem TED-Talk „How to live to be 100?“ bezieht er das IKIGAI-Prinzip auf das Leben der Menschen auf Okinawa. Zusammen mit ihren besonderen Lebens- und Essgewohnheiten und der Unterstützung durch ein Netzwerk von Freunden (jap. „MOAI“) hilft es diesen Menschen, länger zu leben, weil es ihnen eine Aufgabe und einen Lebenssinn vermittelt. So gibt es auf Okinawa u.a. einen Karate-Meister, mehrere Fischer und mehrere Ur-Ur-Ur-Großmütter, die alle älter als 100 Jahre sind.

Es genügt jedoch nicht, das eigene IKIGAI zu kennen. Alle diese Menschen verwirklichen ihr persönliches IKIGAI, indem sie aktiv werden, etwas tun. Untersuchungen haben ergeben, dass das persönliche IKIGAI sich mit zunehmendem Alter verändern kann. Bei denjenigen Menschen, die in der eigenen Arbeit als ihrem Lebensmittelpunkt aufgehen, sorgt das vielleicht für eine gewisse Erleichterung. Je näher das Rentenalter kommt, um so mehr wird sich ein neues IKIGAI entwickeln. Die eigenen Prioritäten verschieben sich und passen sich dem Lebensalter an.

Wenn man sich die vier oben genannten Fragen regelmäßig und in größeren Zeitabständen beantwortet, können sie eine gute Orientierungshilfe für die eigenen Entscheidungen und Entwicklungen sein. Und da wir nur selbst die Antworten auf diese Fragen geben können, gibt es auch keine richtigen oder falschen Antworten. Oprah Winfrey nannte das sehr treffend: „Speaking your truth is the most powerful tool we all have.“

IKIGAI im Unternehmen
Aus der Perspektive des Unternehmers oder Managers kann die Beschäftigung mit dem IKIGAI-Prinzip Hinweise darauf liefern, wie es gelingen kann, Mitarbeitern bei der Verwirklichung ihres IKIGAI zu helfen und so dafür zu sorgen, dass sie ihre positive Energie und persönliche Motivation mit der Tätigkeit verbinden, für die sie bezahlt werden.

Ein etwas bekannteres Beispiel dafür, wie so etwas gelingen kann, ist die Firma „John´s Crazy Socks“, die auch über YouTube-Videos einen hohen Bekanntheitsgrad bekommen haben. Das Unternehmen wurde von einem Vater und seinem Sohn gegründet. Schon lange war es der Wunsch des Sohnes, der das Down-Syndrom hat, gewesen, durch seine lustigen Socken Fröhlichkeit in die Welt zu bringen („We are on a mission to spread happiness through socks.“) Heute nutzt er seine zunehmende Bekanntheit dazu, auf die besonderen Anforderungen für Menschen mit Down Syndrom, Autismus und andere Krankheitsbilder aufmerksam zu machen. Er hat sein IKIGAI mit seinem Unternehmen verbunden.

Damit Ihre Mitarbeiter das IKIGAI Ihres Unternehmens verstehen, hat es sich bewährt, mindestens einmal pro Jahr „Tage der Unternehmensvision“ zu veranstalten. Auch bei Spitzenunternehmen wie Facebook arbeiten die Mitarbeiter in Großgruppen-Veranstaltungen, Arbeitsgruppen und anderen Formaten einmal pro Jahr abteilungsübergreifend zusammen und teilen ihr persönliches Verständnis der Unternehmensvision. Der Sinn dieser Workshops ist, gemeinsam darüber nachzudenken, wie die eigene Lebensvision mit dem Unternehmenszweck verbunden werden kann, um einerseits erfolgreich miteinander zu arbeiten und andererseits den eigenen Idealen näher zu kommen.

In einem sorgfältig geplanten und vorbereiteten Setting aus Workshops, Vorträgen, Kommunikationshilfen und Gruppenveranstaltungen haben wir bereits vielen Teams dabei geholfen, ihr eigenes IKIGAI zu entdecken und mit den persönlichen Zielen und Visionen der Mitarbeiter in Übereinstimmung zu bringen.

Es ist uns dabei eine besondere Freude zu beobachten, wie der intensive und offene Dialog zum gemeinsamen Nachdenken über das IKIGAI der Einzelnen und der Firma führt, wie neue Ansätze für die Umsetzung identifiziert werden und die gemeinsame Arbeit auch zu neuen Ideen darüber führt, welchen Beitrag das Unternehmen für die Welt leisten kann.

Egal ob Sie Manager im Großunternehmen, Mittelständler oder „One-woman-show“ sind: Die Kenntnis des eigenen IKIGAI und offene Gespräche über Ihre persönliche Vision und die Ziele Ihres Unternehmens führen zu mehr Lebensfreude und Motivation, vertiefen Ihre Beziehungen zu den anderen Mitspielern und lassen Sie zielgerichteter und effizienter entscheiden und arbeiten.

Wenn Sie neue Wege gehen wollen, unterstützen wir Sie gern! Sprechen Sie uns an, damit wir gemeinsam herausfinden können, ob wir zueinander passen.

Links und Hinweise:
Die angegebenen Links sind Verweise auf externe Webseiten, deren Funktionieren wir zwar überprüft haben, aber nicht garantieren können. Angegebene Bücher haben wir auf Amazon gefunden und die entsprechenden Links angegeben. Allerdings würden wir uns freuen, wenn Sie mit Ihrer Buchbestellung Ihren lokalen Buchhandel unterstützen. Wir stehen mit Amazon in keinerlei Vertragsbeziehung und erhalten keine Provisionen, wenn Sie bei Amazon bestellen.

1. Hier ein Link zum Buch von Gordon Matthews: https://www.amazon.de/What-Makes-Life-Worth-Living/dp/0520201337/ref=sr_1_fkmr1_1?ie=UTF8&qid=1520868654&sr=8-1-fkmr1&keywords=Gordon+Matthews+%22what+makes+life+worth+living%22, ISBN: 978-0520201330
2. Hier sein Interview im Telegraph: https://www.telegraph.co.uk/health-fitness/mind/finding-ikigai-japanese-secret-health-happiness/
3. Hier der TED-Talk von Dan Buettner:

4. Und hier der Link zu seinem Buch: https://www.amazon.de/Blue-Zones-Second-Lessons-Longest/dp/1426209487/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1520871641&sr=8-1&keywords=blue+zones+dan+buettner

5. Wenn Sie mehr über „John´s Crazy Socks“ erfahren möchten:

Wie wir SMARTER Ziele vereinbaren

Im ersten Teil („Smart ist nicht immer smart.“) haben wir herausgearbeitet, warum die SMART-Methode und die prozessorientierten Verfahren für Zielvereinbarungen in unserer dynamischen Zeit Schwächen aufweisen. Meine Klienten bestätigen mir immer wieder: Man habe zwar in einem mehrtägigen Management-Workshop prima Managementziele vereinbart, aber es zeige sich bereits nach kurzer Zeit, dass die Umsetzung langwieriger und schwieriger sei als erwartet. Im Übrigen reagierten die Mitarbeiter häufig eher negativ als positiv auf die neuen Ziele.
Wie sollte ein Zielvereinbarungsprozess aussehen, der flexibel genug und gleichzeitig so in die betrieblichen Abläufe integriert ist, dass die Umsetzung der Zielvereinbarungen normaler Bestandteil des Tagesgeschäfts ist? Und wie kann es dabei gelingen, die Mitarbeiter in der Zielfindung so einzubinden, dass ihre Wünsche nach fairen, erreichbaren und nachvollziehbaren Zielen berücksichtigt werden?

Nicht motivieren, sondern Demotivation vermeiden.
Viele Managementbücher loben den Abschluss von individuellen Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern als wirksames Führungsinstrument. Dahinter steht folgende Annahme: Wenn Mitarbeiter einen direkten Bezug zu den Unternehmenszielen herstellen können und genau wissen, welchen persönlichen Beitrag sie zum Unternehmenserfolg leisten, sind sie hoch motiviert. Sie sind dann gerne bereit, persönliche Ziele zu vereinbaren und alles dafür zu tun, diese Ziele auch zu erreichen.
Bei dieser Vorstellung über persönliche Wertvorstellungen von Mitarbeitern bleiben nach meinen Erfahrungen allerdings wichtige Aspekte unbeachtet:
Ein Aspekt ist die Rollenkonkurrenz: Mitarbeiter nehmen – wie ihre Vorgesetzten auch – mehrere unterschiedliche Rollen ein und verfolgen aus diesen Rollen heraus unterschiedliche Ziele. In der Rolle als Eltern oder Beziehungspartner streben sie vielleicht an, möglichst viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Andererseits wollen sie vielleicht durch Überstunden die Urlaubskasse auffüllen und dafür mehr Zeit in der Arbeit verbringen. Ihr Wunsch nach beruflicher Weiterentwicklung verlangt darüber hinaus Zeit für Fortbildungen und Selbststudium, die von der gemeinsamen Familienzeit ebenfalls abgeht.
Mit anderen Worten: Auch, wenn die Unternehmensziele die Mitarbeiter begeistern und sie sich gerne engagieren, stehen diese Ziele immer in Konkurrenz mit persönlichen Zielen aus anderen Lebensbereichen.
Für die Priorisierung der verschiedenen Zielbereiche spielen Faktoren wie das Lebensalter und die eigene Erfahrung eine große Rolle. Mitarbeiter, die am Anfang ihrer beruflichen Entwicklung stehen, identifizieren sich häufig gerne und intensiv mit den Unternehmenszielen. Sie wollen gestalten, sich etablieren. Ältere Mitarbeiter betrachten die Unternehmensziele aus ihrem persönlichen Erfahrungshintergrund distanzierter. Sie prüfen kritisch, ob sie die Ziele für richtig halten und ob ihr Engagement sich lohnen wird. Vielleicht haben sie in der Vergangenheit bereits erlebt, dass große Ziele angekündigt und nach viel Engagement wieder aufgegeben wurden. Oder sie waren Zeugen, wie Strategie-Änderungen die bisherigen Ziele in ihr Gegenteil verkehrt haben.
Wenn es gelingt, neue Ziele gemeinsam mit diesen erfahrenen Mitarbeitern gemeinsam zu entwickeln und sie von deren Sinnhaftigkeit zu überzeugen, sind sie durchaus bereit, ihre große Erfahrung bereitzustellen. Kommunikation und persönliche Wertschätzung sind daher wichtig, um sie gewinnen zu können.
Mehrere Studien haben bestätigt, dass die Wirkung individuell vereinbarter Leistungsziele ganz unterschiedlich ausfallen kann. Gelingt es, mit den Mitarbeitern Ziele zu vereinbaren, die zwar herausfordernd aber erreichbar sind, so sorgt dieser Leistungsanreiz für eine positive Motivation. Stellen die Ziele keine Herausforderung dar, weil sie nach Ansicht der Mitarbeiter problemlos umzusetzen sind, entwickeln sie keine positive Wirkung.
Halten die Mitarbeiter die Ziele für unerreichbar hoch, wird das Gegenteil erreicht: Aus ihrer Sicht haben diese Ziele mit ihrer Arbeitswirklichkeit nichts zu tun. Verbunden mit dem Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden, nimmt ihre Arbeitszufriedenheit nachhaltig ab.
Auch die möglichst konkrete Beschreibung der Ziele ist wichtig: Kein Mitarbeiter will an der Zielvorgabe gemessen werden, „in jeder Situation sein Bestes zu geben.“ Je weniger konkret die Ziele abgefasst sind, umso größer ist die Sorge, bei der späteren Bewertung ihrer Zielerreichung ggf. übervorteilt zu werden.
Damit Zielvereinbarungen erfolgreich als Führungsinstrument wirken und motivieren können, sollten deshalb folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Die individuell vereinbarten Ziele sollten in nachvollziehbarer Weise mit den Unternehmenszielen in Verbindung stehen.
  • Die Mitarbeiter sollten beurteilen können, wie sie zur Erreichung der Ziele konkret beitragen können.
  • Die Ziele sollten so konkret, eindeutig und messbar wie möglich formuliert sein.
  • Die Ziele sollten so bemessen werden, dass sie eine Herausforderung darstellen, aber die Mitarbeiter nicht überfordern.
  • Einmal getroffene Zielvereinbarungen sind „heilig“ und können nicht einseitig uminterpretiert werden. Aussagen wie „So war das nicht gemeint…“ sind ein Tabu!

Führungskräfte tragen die Verantwortung dafür, durch gute Vorbereitung und wertschätzende Kommunikation gemeinsam mit den Mitarbeitern machbare Ziele zu vereinbaren. Wenn sie dabei erfolgreich vermeiden können, ihre Mitarbeiter zu demotivieren, ist schon viel gewonnen.

Ursache, Wirkung und Komplexität
Eine stete Quelle der Unzufriedenheit ist für die Mitarbeiter, wenn sie einerseits möglichst konkrete Vorgabe-Werte erfüllen sollen, andererseits aber von Kollegen und Zulieferern abhängig sind, auf die sie kaum Einfluss haben. Schnell kann sich hier das Gefühl einstellen, anderen „ausgeliefert“ zu sein, wenn die Zielerreichung ohne eigenes Verschulden gefährdet wird.
Solange es einen klar erkennbaren Zusammenhang zwischen Ursache (eigenes Handeln) und Wirkung (angestrebtes Ergebnis) gibt, ist eine Zielvereinbarung recht einfach umzusetzen. Geht es aber um eine Aufgabe, bei der die Mitarbeiter neue Fertigkeiten erlernen müssen, kann die verfrühte Vereinbarung eines konkreten Zielwertes hinderlich sein. Denn insbesondere während der Einführungsphase einer neuen Tätigkeit oder Rolle müssen die individuellen Lernfortschritte berücksichtigt werden, die der einzelne Mitarbeiter und das Team zu bewältigen haben.
Aufgrund fehlender Erfahrung können die Mitarbeiter in dieser Phase häufig noch nicht einschätzen, welche Anstrengungen erforderlich sind, um einen konkreten Zielwert zu erreichen. Sie neigen häufig in der Begeisterung für Neues dazu, sich durch zu positive Erwartungen zu überfordern und damit selbst unter Druck zu setzen.
Deshalb empfehle ich vor allem bei neuen oder sehr komplexen Aufgaben, Zielvereinbarungen so abzufassen, dass das Erreichen von Lernzielen und das Sammeln von Erfahrungen belohnt werden. In diesen Einführungssituationen ist es für alle Beteiligten nur von Vorteil, keine konkreten Zielwerte, sondern einen relativ breit angelegten Zielkorridor zu vereinbaren.
Gerade in Zeiten großer Umbrüche wie der Digitalisierung ist es eine Form der Ehrlichkeit, einzuräumen, dass wir nicht mit 100%iger Sicherheit alle kommenden Entwicklungen vorhersehen können. Auch wenn wir gerne die Zukunft in eindeutige Kennzahlen pressen würden, verhält sie sich häufig anders als geplant. Gemeinsam entwickelte Zielkorridore helfen dabei, verschiedene mögliche Szenarien vorzudenken.
Die gemeinsame Diskussion über mögliche Zukunfts-Szenarien hilft bei der Entstehung eines gemeinsamen Verständnisses. Wir wissen zwar nicht, welches Szenario sich einstellen wird. Aber die Zielvereinbarung hat auch nicht vor, einen bestimmten Zielwert festzuschreiben, der sich auf jeden Fall einstellen muss. Vielmehr geht es darum, sich gemeinsam auf jedes realistisch mögliche Szenario vorzubereiten und dafür eine gewisse Ergebnis-Bandbreite festzulegen.
Häufig ist selbst die Zusammensetzung der Aufgaben bei neuartigen Themen noch nicht eindeutig geklärt. Einerseits gibt es klar formulierte Aufgaben, für die konkrete Zielwerte gefunden werden könnten. Daneben sind aber auch komplexe, miteinander verknüpfte Aufgaben zu lösen, für die solche eindeutigen Zielwerte nicht realistisch wären.
Die Mischung einfacher Tätigkeiten einerseits und komplizierter Aufgabenpakete andererseits erschwert den Zielvereinbarungsprozess, weil sich die verschiedenen Komplexitätsebenen und Unsicherheiten nur unzureichend in konkreten Messzahlen abbilden lassen.

Mehrwerte durch weniger Werte
Um diese unterschiedlichen Komplexitäts-Ebenen abbilden zu können, ist es notwendig, die Unterschiede der jeweiligen Aufgabeninhalte zu beschreiben. Gelingt eine solche Beschreibung in standardisierter Form durch Faktoren, können für unterschiedliche Situationen vergleichbare Aufgaben identifiziert werden, für die dann standardisierte Handlungsmöglichkeiten und Zielvorgaben entwickelt werden können.
In seiner Studie bezeichnet Tony Manning diese Vorgehensweise als die Schaffung eines Kontingenzmodells, in dem nur zwischen zwei Arten von Aufgaben unterschieden wird, nämlich den „komplexen Aufgaben“ und den „geradlinigen, einfachen Aufgaben“.
Anhand von jeweils vier Fragen zur Unterscheidung in „komplexe Jobs“ und „einfache Aufgaben“ soll eine Einordnung anhand von Punktwerten durchgeführt werden können. Für jeden Punktwert sollen dann standardisierte Zielvorgaben und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.

Die eher „geradlinigen, einfachen Aufgaben“ werden lt. Manning wie folgt charakterisiert:
1. Die Aufgabe besteht aus bekannten und vorhersehbaren Tätigkeiten.
2. Die Leistung der Mitarbeiter ist einfach zu erfassen und zu messen.
3. Der Schwerpunkt der Aufgabe liegt in der Erreichung kurzfristiger Ergebnisse.
4. Das Arbeitsergebnis ist hauptsächlich von den Fähigkeiten und der Motivation des Aufgabeninhabers abhängig.

Komplexe Tätigkeiten werden von ihm durch folgende Kriterien beschrieben:
1. Die Mitarbeiter müssen logisches Denken und Fachwissen auf eine komplexe Abfolge von Aktivitäten anwenden.
2. Die einzelnen Aufgaben innerhalb der Tätigkeit setzen sich aus einer Anzahl unterschiedlicher Bestandteile zusammen.
3. Die Organisation muss sich im Tätigkeitsgebiet mit signifikanten Veränderungen auseinandersetzen.
4. Die betreffenden Mitarbeiter bedienen sich zur Bewältigung der Tätigkeit komplexer Problemlösungsstrategien und Kommunikationsfähigkeiten.

In seiner Studie ließ Manning auf einer Skala von jeweils 0 bis 4 Punkten bewerten. Damit ergab sich ein Lösungsbereich zwischen 0 Punkten (einfache Tätigkeit) und 32 Punkten (maximal komplexe Tätigkeit). Auch wenn diese Art der Klassifizierung sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, weist die Idee nach meiner Ansicht einen guten Weg.
Denn wenn es innerhalb eines Unternehmens oder eines Bereiches eine Standard-Klassifizierung von Aufgaben und Tätigkeiten gäbe, die nachvollziehbar wäre und sich nicht in Details verlöre, könnten daraus auch standardisierte Zielwerte und Ergebniserwartungen entwickelt werden. Die Stellenanforderungen und die Anforderungsprofile der Mitarbeiter wären damit einfacher in Übereinstimmung zu bringen und würden eine standardisierte Vorauswahl geeigneter Bewerber für offene Stellen unterstützen.
Statt sich im Rahmen von Zielgesprächen über einzelne Zielwerte unterhalten zu müssen, könnten Vereinbarungen auf Basis standardisierter Zielkorridore und Standardkennzahlen vereinbart werden.
Insbesondere bei neuartigen Aufgaben stünde dann die Einordnung und Bewertung der Aufgaben im Mittelpunkt der Zielgespräche. Statt die Frage: „Was soll erreicht werden?“ in den Mittelpunkt zu stellen, ginge es um die Vereinbarung einer gemeinsamen Vorgehensweise und die Beantwortung der Frage: „Wie erreichen wir gemeinsam den Zielkorridor und wann sind wir zufrieden?“

Gute Vorbereitung als Eckstein zum Erfolg
Die wichtigste Grundlage für die Vereinbarung von standardisierten Zielkorridoren ist die Identifizierung aller Aufgaben, für die das neue Zielvereinbarungssystem angewendet werden soll. In Gesprächen mit den verschiedenen Stelleninhabern kann zum Beispiel festgelegt werden, dass in mehreren Projektphasen die Aufgabenbereiche eingeordnet werden, beginnend bei eher standardisierten Tätigkeiten.
Im zweiten Schritt werden dann die einzelnen Aufgaben gemeinsam mit den Stelleninhabern bzw. Aufgabenverantwortlichen kategorisiert. Dazu sollten die Besonderheiten des Unternehmens berücksichtigt und folgende Fragen beantwortet werden:
1. Wie viele Aufgaben der jeweiligen Komplexitätsgrade gibt es? Sind sie relativ gleich verteilt oder gibt es Schwerpunkte, z.B. in einzelnen Bereichen?
2. Wie stark sind die Aufgaben miteinander vernetzt?
3. Sind die betrachteten Aufgaben in der Organisation vollkommen neu, bereits eingeführt oder langjährig etabliert?
4. Wie viele Kontakte müssen einbezogen werden, um die Aufgabe zu erfüllen? Ist sie alleine zu bewältigen oder nur durch eine Teamleistung umzusetzen?

Sind die Aufgaben entsprechend definiert, wird sich eine Mischung aus standardisierten und komplexen Aufgaben ergeben, die pro Bereich individuell verschieden sind.

Die standardisierten, klar abgrenzbaren Aufgaben beinhalten wahrscheinlich viele Elemente, die sich mit der SMART-Methodik gut beschreiben lassen. Der Anteil individueller Lern- und Entwicklungsziele ist bei diesen Aufgaben eher gering.

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p dir=“ltr“>Die komplexeren Aufgabenpakete orientieren sich stärker an allgemeiner formulierten, lernorientierten Zielen. Der Anteil der SMART formulierten Zielvorgaben ist eher niedrig.
Handelt es sich um größere organisatorische Veränderung, die das Unternehmen oder den Bereich beschäftigen, sollten die vereinbarten Ziele und Erfolgskriterien so gewählt werden, dass Mitarbeiter dafür belohnt werden, in dieser neuen Struktur den bestmöglichen Lösungsansatz für die betreffende Aufgabe zu identifizieren und auszuprobieren zu können.

In aller Kürze:
Die Digitalisierung verlangt nach flexiblen Vorgehensweisen und Zielkorridoren, die als Team erreicht werden müssen. Statt sich auf die Festlegung und Kontrolle konkreter Vorgabewerte zu konzentrieren, sollten Zielvereinbarungen daher die Frage in den Mittelpunkt stellen, mit welchem Tätigkeiten-Mix ein Zustand erreicht werden kann, der innerhalb eines erwünschten Zielbereiches liegt, aktuelle Veränderungen aufgreift und in einer gemeinsamen Anstrengung schnell umgesetzt werden kann.

SMART ist nicht immer smart.

Überblick
Beim Lesen der aktuellen Wirtschaftsmeldungen kann der Eindruck entstehen, nie zuvor in der Geschichte der Menschheit habe es so große Umbrüche gegeben, wie heute. Digitalisierung, Arbeit 4.0, neue Märkte, neue Geschäftsmodelle, Disruption –viele Schlagworte bestimmen die aktuelle Diskussion.
Dabei vergessen wir gern, dass auch in einem dynamischen Marktumfeld Güter und Services entwickelt, produziert verkauft und ausgeliefert werden müssen. Gerade in Zeiten von Umbrüchen müssen Unternehmen ihre Ziele festlegen und in funktionierende Prozesse umsetzen.
Passen in diesem neuen Umfeld noch die Verfahren für die Planung und Umsetzung von Unternehmenszielen, die in der Ausbildung gelehrt werden? Wie können wir morgen unsere Zielerreichung so schnell und flexibel überprüfen, wie es in dynamischen Märkten nötig ist? Und wie können wir die neue Generation von Wissensarbeitern mit ins Boot holen? Genügen dafür SMART formulierte Ziele? Oder ist all das schon „Schnee von gestern“?

Im Teil 1 beschäftigen wir uns kurz und kompakt mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen der Zielplanungsverfahren, die heute in den meisten größeren Unternehmen Anwendung finden. Der 2. Teil wird sich dann damit beschäftigen, wie zukünftig Ziele so vereinbart und umgesetzt werden können, dass sie nicht schon bei Abschluss der Vereinbarung veraltet sind und so dynamisch angepasst werden können, wie es die neue digitale Unternehmensrealität von uns verlangt.

SMART ist nicht immer smart.
Grundsätzlich können zwei unterschiedliche Methoden der Zielentwicklung unterschieden werden:

Die ergebnisorientierten Ansätze zur Entwicklung von Zielen beruhen auf der Philosophie des „Management by Objectives“.
Prozess- und umsetzungsorientierte Zielvereinbarungen folgen dagegen dem Total Quality Management Ansatz.

Das SMART-Modell, das in jeder besseren Management-Fortbildung Erwähnung findet, folgt dem ergebnisorientierten Ansatz, indem es die Ziele in Form konkreter Ergebnisse beschreibt, die vorliegen sollen, wenn das Ziel erreicht ist. Die „SMART“ formulierten Ergebnisse beziehen sich meist auf Kriterien wie Effektivität, Kosten, Zeit und Effizienz und sollen möglichst spezifisch, messbar, gemeinsam vereinbart (engl. agreed), realistisch und mit einem konkreten Termin versehen sein.

Damit ist die SMART-Methode eine gute Grundlage für die klassische Vorgehensweise der Strategie-Entwicklung:
1. Entwickle und kommuniziere Zweck und Mittel Deines Unternehmens
2. Leite aus dem Unternehmenszweck und den verfügbaren Mitteln Deine konkreten Ziele ab.
3. Vereinbare die entsprechenden Ziele mit Deinen Führungskräften.
4. Sorge dafür, dass Führungskräfte die Ziele auf die Mitarbeiter-Ebenen konkretisieren.
5. Identifiziere geeignete Kennzahlen zur Überprüfung der Zielerreichung.
6. Lege Verfahren fest, mit denen die Zielerreichung regelmäßig untersucht wird.

Das funktioniert besonders gut, wenn die Erreichung der Ziele durch Kennzahlen einfach und genau überprüft werden kann. Also immer dann, wenn die Leistung des einzelnen Mitarbeiters im Wesentlichen nur von seinen eigenen Fähigkeiten, Kenntnissen und seiner Eigenmotivation abhängt.

In der Welt von Arbeit 4.0, Digitalisierung und neuen Geschäftsmodellen entstehen allerdings immer mehr Aufgaben, die durch solche eindimensionalen Leistungskennzahlen nicht dargestellt werden können. Kreativität, Flexibilität, Innovationsgeist und Experimentierfreude fordern die Kooperation mit anderen. Neue Arbeitsmodelle machen es nahezu unmöglich, ein Ergebnis ausschließlich auf die Leistung eines einzelnen Mitarbeiters zurück zu führen. Selbst die Arbeitsanteile innerhalb eines Teams lassen sich nicht zutreffend durch klassische Kennzahlen bestimmen, insbesondere dann nicht, wenn alle Mitarbeiter in einer Lernphase neuer Verfahren und Abläufe kennenlernen.

Die frühere Stärke von ergebnisorientierten Methoden wie Management by Objectives war, dass ein einfach nachvollziehbarer, direkter Bezug zwischen Ursache und Wirkung hergestellt werden konnte. Das machte die Messung der Erfolgskriterien einfach und transparent. Indirekt wirkende Zusammenhänge – auch wenn sie einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben können – blieben bewusst unberücksichtigt. Die Auswirkungen einer Entscheidung auf andere Teile des Unternehmens, ein anderes Team oder eine bestimmte Kundengruppe wurden nicht betrachtet.

Im Marktumfeld von heute entwickelt sich diese frühere Stärke zur Schwäche, denn die Vernetzung von Mitarbeitern, Teams und ganzen Unternehmen ist durch eindimensionale Ursache-Wirkungs-Ketten weder zutreffend zu beschreiben noch zu messen und erst recht nicht zu steuern.

Das macht das Feedback meiner Coaching-Gruppen – häufig Gruppen von Top-Entscheidern eines Unternehmens – verständlich, ein Performance-Management-Konzept sei aus ihrer Sicht auf Basis der SMART-Methode zu zeitraubend, umständlich und zu unflexibel in der Anpassung.

Prozesse regeln auch nicht alles.
Die Kritik an den ergebnisorientierten Methoden wie der SMART-Methode ist nicht neu. Bereits in den 1980er Jahren haben die Verfechter des Total Quality Management (TQM) die Idee aufgenommen, durch eine eher prozessorientierte Herangehensweise die kontinuierliche Weiterentwicklung einer Organisation in den Mittelpunkt zu stellen, statt sich zu sehr auf einzelne Ergebnisse zu fokussieren. Gute Ergebnisse entstehen nicht durch Messung und Kontrolle von einzelnen Aspekten, sondern durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren in einer komplexen Welt.

Daher geht der TQM-Ansatz davon aus, dass Menschen, die wissen, was getan werden muss und genau das tun können, auch die erwarteten Ergebnisse erreichen werden. Qualität entsteht also dadurch, die Arbeitsabläufe so zu gestalten, dass Fehlerquellen minimiert werden. In der Gestaltung der Abläufe geht es darum, so genau wie nötig zu beschreiben, welche Aufgaben der Einzelne wahrnehmen muss und welche Standards einzuhalten sind, um die beabsichtigten Ziele des Prozesses zu erreichen.

Der TQM-Ansatz teilt damit die Hauptziele des Unternehmens auf den unterschiedlichen Prozessebenen in ihre einzelnen Bestandteile auf. Diese werden in den jeweiligen Teilprozessen optimiert und unterstützen so die Erreichung der Oberziele. Damit alle Prozesse vernünftig zusammenwirken, ist es allerdings notwendig, eine Prozess-Bürokratie zu etablieren, die für die strenge Einhaltung der Standards sorgt.

Die Stärke des prozessorientierten TQM-Ansatzes liegt darin, jede Fehlleistung als Möglichkeit zur Verbesserung zu verstehen. Die Förderung des individuellen Lernens und der Aufbau einer lernenden Organisation durch ein innerbetriebliches Wissensmanagement sind daher wesentliche Bestandteile der TQM-Methodik.

Häufig wird kritisiert, dass in der Konzentration auf die Optimierung der Prozesse die tatsächlichen Messergebnisse auf die leichte Schulter genommen werden, weil sie als Momentaufnahmen im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung zwar Hinweise liefern, aber darüber hinaus keine große Aussagekraft besitzen. Wichtige Warnsignale können so unterschätzt oder übersehen werden.

Insbesondere in einem sehr dynamischen Unternehmensumfeld gibt es viele Situationen, in denen die Leistung des Einzelnen im Rahmen eines Prozesses durch Faktoren eingeschränkt werden, auf die er keinen direkten Einfluss hat. Übergibt beispielsweise die Nachbarabteilung bestimmte Vorarbeiten nicht rechtzeitig, wirkt sich dies unmittelbar auf die Leistung aller nachgelagerten Prozess-Schritte aus, ist aber als Ursache der Schlechtleistung aus den Kennzahlen nicht immer erkennbar.

Einige Studien haben auch herausgefunden, dass eine zu starke Konzentration auf die korrekte Einhaltung von Prozessbeschreibungen und Qualitätshandbüchern dazu führen kann, dass Mitarbeiter den übergeordneten Zusammenhang ihrer Tätigkeit im Unternehmen vollständig aus den Augen verlieren und die Innovationskraft eingeschränkt wird.

Entscheidungen, die im direkten Zusammenhang mit einer eng abgegrenzten Aufgabe sinnvoll erscheinen, können sich dadurch sogar als schädlich erweisen, wenn sie aus einer übergeordneten Perspektive betrachtet werden. Insbesondere bei ethischen Fragestellungen wird dies deutlich, wenn für Entscheidungen angebliche „Sachzwänge“ als Argumentationshilfe herangezogen werden. Unrühmliches Beispiel dafür sind TQM-Verfahren in der Kranken- und Altenpflege, bei denen die Einhaltung von Zeitvorgaben wichtiger scheinen als das Wohl des Patienten und seine Bedürfnisse.

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p dir=“ltr“>Gibt es eine bessere Lösung?
Wie wir gesehen haben, bietet weder die Konzentration auf die angestrebten Ergebnisse der SMART-Methode noch die starke Betonung der Prozesse der TQM Methode die Unterstützung, die wir für eine Steuerung mit Hilfe von Zielen in dynamischen Zeiten benötigen.

Beide Methoden bleiben auch – aus unterschiedlichen Gründen – hinter den Ansprüchen der Mitarbeiter nach fairen, erreichbaren und nachvollziehbaren Zielvorgaben zurück.

Im 2.Teil dieses Artikels beschäftigen wir uns deshalb mit der Frage, wie ein Zielvereinbarungsprozess aussehen kann, der diesen Wünschen Rechnung trägt und so flexibel ausgelegt ist, dass er der hohen Veränderungsdynamik in stürmischen Zeiten standhalten kann.